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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1915)
DOI Artikel:
Fuchs, Emil: Die deutschen Kirchen zu Pfingsten, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0156

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sturmwindartigen Erlebens die Ruhe und Sicherheit, die das Lintauchen
in tiefste Weihe und heiligste Größe allein geben kann.

Was folgt daraus? — Daß deutfche Art und deutsches Wesen auf reli-
giösem Boden in dieser doppelten Ausprägung besteht und daß wir das
anerkennen müssen — und endlich klar und wahr versuchen müssen, uns
als Deutsche zu verstehen und zu achten — und zu lieben, wenn auch
unser deutsches Herz und Lmpfinden in ganz verschiedene Formen ein--
strömt, da wo es sich darstellen und selbst verstehen will.

In katholischer und in protestantischer Form geht das Suchen, Sehnen
und Frommsein des deutschen Herzens durch die Iahrhunderte. Die Schris-
ten Meister Eckhardts, die deutsche Theologie, Thomas a Kempis, sind
sie nicht urkatholische Schriften — und doch deutsches Wesen und Lmp-
finden und sür jeden Deutschen eine Erquickung? In der Gegenwart
hat Rosegger uns die deutsche Zartheit und Tiefe des Katholizismus ge-
schildert, und es stehen in diesem Männer wie Hansjakob und mancher
andere. Da ist doch Fühlen von unserm Fühlen?

«Eine feste Burg ist unser Gott" wird nun auch von Katholiken er--
grifsen gesungen, und wie manches Lied Paul Gerhards und anderer
Protestanten schon längst! Sollten nicht fromme Katholiken auch die
Gewalt frommen Empfindens in Luthers Katechismus und mancher andern
Schrift fühlen können? Vorm Feind spricht mancher katholische Feld--
prediger zum Herzen des Protestanten und umgekehrt. Ist es nicht ein
Stück Ausdruckskultur, daß wir so im Echten einander empsinden und ehren
können. ^

G

^z-n jeder der beiden Kirchen hat die Religion ihren Kamps zu führen
<)gegen die Verhärtung in unlebendiger „Kirchlichkeit" und der aus ihr
steigenden kirchlichen Herrschsucht mit Formen, die kein wahrhastiger Aus-
druck innern frommen Fühlens mehr sind. Das ist ja wohl für alle
Zeiten das Schicksal des Geistigen im Menschen, daß es von solchen
Verhärtungen bedroht wird — mögen die Frommen hüben und drüben
diesen ihren Kampf führen um wahre, lebendige Frömmigkeit und diese
Frömmigkeit dann aneinander achten und lieben und nicht um der äußern
Form willen verschmähen. Hüben und drüben müssen fromme Menschen
arbeiten, neue, echte Ausdrucksformen dem alten deutschen Fühlen zu
schasfen. Vielleicht sindet sich einmal im Lause dieser Arbeit wieder voller
Zusammenklang.

Man hat den Traum einer deutschen Nationalkirche geträumt. Es
war ein Traum, sraglich, ob es ein schöner war. Wir können keine deutsche
Nationalkirche aufrichten, denn die tiesgehend verschiedene Ausgestaltung
der deutschen Frömmigkeit ist vorhanden. Sie kann nicht durch Organi-
sation sondern nur durch fortschreitende Vertiefung des Empsindens und
wahrhafte Gestaltung des Ausdrucks überwunden werden. Das aber tun
nicht Iahre oder Iahrzehnte. — Zunächst aber lernen wir, daß in beiden
Formen tieses, deutsches Gemütsleben seinen Ausdruck findet. —

Deshalb soll der Kampf nicht aushören — jener Kampf, der ein ver-
ständnisvolles, geistiges Ringen ist um den wahrsten, besten, lebens-
 
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