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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

DOI issue:
Heft 7 (Aprilheft 1924)
DOI article:
Fuchs, Emil: Kant und Wir: zu Kants 200. Geburttag: 22. April 1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0029

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Grundlagen der Welt ewige Wahrheiten blieben. Eine behaglich überschau-
bare, in ihrer Gesetzmäßrgkeit erfaßte, uns zum Dienst bereite mächtige
Maschine waren Welt und Mensch. — „I/bomms mLolnns" —.

Aber da war schon einer, dem drohte in dies wohlgeordnete Gsdanken-
gefüge ein Dunkles aus der Wirllichkeit dort draußen hereitt. Sein Denken
wollte nicht mehr allein in den überlieferten Formeln laufen, sondern
es suchte im Ehrfahrenen und Erfahrbaren überall die Berührung mit der
„Wirklichkeit", die darin stecken muß. Wo aber wäre Wirklichkeit etwa
von „Wirkung" und „Ursache" uns gegeben? Wir erleben oas eine und
nennen's Ursache, wir erleben im zeitlichen Ablauf das andere und nennen's
Wirkung, wir erleben, daß immer wieder die beiden auseinander folgen.
Wir erleben aber nicht, wir sehen nicht, hören nicht, schmecken nicht die Tat-
sache, daß eines in wirkender Verbundenheit das andere schafft! Wie
kommen wir dazu, diese wirkende Verbundenheit anzunehmen? Wie kom-
men wir dazu, dies als ein Unumstößliches zu behandeln, auf dessen gültig
unentrinnbare Gesetzeskraft wir unser ganzes Weltbild bauen dürfen? —
Der Stoß gegen die sicherste Grundlegung des Gedankengebäudes war
geführt! — Wo in der Welt wird aus der Wirklichkeit heraus unserm
Geist das gegeben, was er als Zusammenhang von Ursache und Wirkung
annimmt? DavidHume

II.

Und doch vermögen wir die Denknotwendigkeit dieses Gesetzes nicht von
uns abzuschütteln. Wäre es nur anerzogene Gewohnheit, so müßten wir
sie uns wieder abgewöhnen können. Aoer wir müssen sie immer wieder
annehmen:

Kant entdeckt innere Notwendigkeiten unsers Geistes! Schaffen ist
Einheitsschaffen. Tausend Eindrücke empfangen wir durch die Sinne. Im
Geist werden sie räumliche, körperhaste Linheiten, zur Einheit der Anschau-
ung räumlich geordnet in der Anschauungssorm des Raumes, dem ersten
Instrument, durch das unser Geist Dinge und Vorgänge begreift. Viele
Dinge, verschiedene Dinge. Sie werden weiter in Einheit gestellt durch die
Anschauungsform der Zeit, in ein unendliches gewaltiges Nacheinander
reihen wir sie — in Zusammenhang, Einheit-Ursache und Wirkung, das
ist die Notwendigkeit unsers Geistes — schließlich muß er alles fassen
in den großen Einheiten, die hinter allem Geschehen ihm wie strömende
Äuellen allen schaffenden Wirkens aufsteigen: Kosmos, Welteinheit —
Seele, Einheit des schaffenden Menschen.

In den Gesetzen des Denkens hat Kant unumstößliche Gewißheiten
erblickt. Aber sie geben uns nicht etwas, was draußen ist. Sie sind die
Notwendigkeiten unsers geistigen Seins. Das Sein dort draußen ist dar-
innen nur als die ewig wechselnde, uns zur Unruhe des Weiterschaffens
immer wieder zwingende Notwendigkeit. Gerade, weil sie in diesen Ge°
setzen und Gedanken gefaßt ist, zwingt sie zur ewigen Weiterarbeit des
Denkens. Der aufsteigende neue Gedanke ahnt etwas von ihr, der ihn
sHaffende Geist fühlt, wie er schafft, weil sie ihm nahegekommen, in ihrem
Wesen ihn ergriffen hat. Ist der Gedanke fertig, so ist er unser Gedanke,
aus dem Gesetz unsers Geistes geformt, und die Wirklichkeit Lraußen ist das
andere, das neu gesucht werden muß.

In den verschiedensten Formen der Weltanschauung hat man Kant wei-
tergebildet, von denen an, die nur den schasfenden Geist gelten lassen wollten,
 
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