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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 12 (Septemberheft 1924)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0288

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Vom tzeute fürs Morgen

Schutz

s greift dich keiner an, vor dem dn
dich nicht schützen könntest — bei
ihm selber.

Im zehnten Iahre ihrer Ehe über-
mannte ihn ein jäher Zorn.

Schreckhaft sah sie seine schlag-
erhobne Hand und barg sich flüchtend
— hinter seinem Rücken.

Er verstand nicht. Plötzlich sah er
zwanzig Iahre rückwärts. Ein kleines
Mädchen kam den Weg herab. Wilde
Buben hoben gegen sie die bösen Hände.
Da lief er herbei. Vor ihm kämpften
seine FLuste. Hinter ihm kniete ein
kleines Mädchen.

Die ausgestreckte Hand des Ehe-
manns erstarrte in der Höhe. Lang-
sam griff sie rückwärts. Iarter hat nie
eine schlagbereite Hand gestreichelt.

Es greift dich keiner an, vor dem
du dich nicht schützen könntest — bei
ihm selber. Fritz Müller

Auch etu Weihnachtssptel

aldemar B o nsels hat es ge-
schrieben. Es erschien bei Rütten
und Loening in Frankfurt.

Ich glaube wahrhaftig, es werden
sich wieder einige hunderttausend Deut-
sche von dem Namen Waldemar Bon-
sels, dem Titel „Krippenspiel" und
einem meschanten Krippenbildchen auf
dem Bucheinband so rühren lassen, daß
sie geduldigen, erweichten Herzens eine
halbe Stunde lang sacharinversüßtes
Spülwasser trinken und sich hinterher
trotz des verfaulten Nachgeschmacks
pflichtschuldig erhoben fühlen.

Möge sich doch der Buchkäufer ein-
mal klarmachen, was er verlangt, wenn
er Weihnachtsspiele haben will. Er
hat das Weihnachtsevangelium. Was
will er mehr? Kann er von einem Dich-
ter verlangen, daß er ,es übertrifft,
oder auch nur in unverminderter
Schönheit widerspiegelt? Oder ist das
zu stark, zu bekannt? Muß es in Versen
seiu? Und ein Kind soll möglichst auch
darin vorkommen, und etwa Engel

oder Märchengestalten? Auch eine
arme Mutter ist zu diesem Zwecke
besonders rührend, vorzüglich, wenn sie
und ihr Kind gerade am HeiligenAbend
wegen frommen Wandels belohnt wer-
den? Und ein paar Weihnachtlieder da-
zwischen, wenn sich das machen ließe?
Ausgezeichnet!

Fa, nach diesem Rezept entstehen
wohl jene unaufrichtigen, zusammenge-
kitschten Machwerke, mit deren Hilfe
Schreiber und Verlag die günstige Kon-
junktur der weihnachtgerührten, leicht-
betrügbaren Käuferherzen ausnützen.

Bonsels gibt sogar noch einen Teufel
als Zugabe und läßt ihn mit dem klei-
nen Mädchen eine verfehlte Imitation
von Gretchen und Teufel aufführen.
Märchengestalten entblößen sich mit pa-
thetisch-hohlem Wortschwall bis auf
ihren „tiefsten Sinn". Der Tenfel als
Fremder polemisiert mit einem alten
Hirten auf so langweilige wie törichte
Art. And Mutter und Kind benehmen
sich so sentimental verschroben und lü°
genhaft, wie es glücklicherweise keinem
noch so hysterischen Frauenzimmer auf
der Welt jemals einfallen wird. Aber
gereimt ist es! Und es kommt alles
darin vor: Wutter, Kind, Märchen,
Evangelium, Teufel, Weihnachtslieder,
Gedanken und Gefühle. Was will mau
mehr! M. Br.

Kurt Heynicke

ie Beseeltheit der Dinge oder Er-
eignisse befeelt auch uns; unsere
Beseeltheit durchströmt die Dinge und
Ereignisse. So dichten, so singen wir.
Gott ist in uns und in allem.

Dieses „Gott-überall" wird Kurt
Hehnicke bewußt, mehr, es wird ihm
Erlebnis, wird Haupt-Inhalt aller sei-
ner Dichtung. Gott ist ich und alles.

Sehnsucht nach Seele und Verschwi-
sterung alles Beseelten ist der Stern
und Kern seiner Gedichte. Nur kurz
spiegeln sich andere Erlebnisse — Weib,
Krieg, Landschaft — in seinen Dich-
tungen, alle ich-erfühlt, alle halb
verschmolzen in den Grund des seele-
gestirnten Gott-Äthers.

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