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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 8 (Maiheft 1924)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0093

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Fortbestehen der heutigen Zustände eintreten müßte, doch sei es ange-
nommen.

Was könnte dann dagegen geschehen? Getvalt, wie z. B. Iudentötung
oder -ausweisung, verwirft wohl auch Stapel. Rechtsminderung, wie z. B.
das Verbot für Iuden, Staatsbeamte oder Iournalisten zu werden, scheitert
an der Unmöglichkeit, abzugrenzen, welche Menschen das Verbot treffen
sollte; nur konfessionelle Israeliten? Dann würden sich Interessierte „taufeu"
lasseu oder konfessionslos werden; alle „Rassen"-Merkmale aber versagen,
obwohl geübte Fanatiker bekanntlich alles erkennen,- auch bliebe die
Frage der Mischlinge offen; sollte dem Sohn eines deutschen Reichskanzlers
und einer getauften Iüdin beispielsweise die Beamtenlaufbahn gesperrt
werden? Gewalt und Rechtsminderung sind übrigens als wirksame Maß-
nahmen so unwahrscheinlich wie möglich; es gehört zum deutschen Volks-
tum, daß wir viel zu „gerecht" und unentschlossen sind, um so etwas anzu-
stsllen. auch wohl: zu anständig. Was also dann? Niemand weiß es.
Stapel widmet sich der „Stärkung und Pflege des deutschen Volkstums";
darin steckt viel Vernunft. Wenn man dies nicht fanatisch betreibt, wenn
man den Deutschen nicht Stolz (und damit unfruchtbare Eitelkeit) ein-
redet. nicht Kampfleidenschaften einpeitscht (was ein furchtbares Risiko
um faktisch sinnloser Ziele willen ist), nicht Gesühle aufnötigt (was
ärgerlich wirkt), nicht eine kleinlich und enggeistig ausgesuchte Kost von Dich-
tung, Kunst und Wissenschaft vorschreibt, dann mag es gehen; leider
tun die Volkstum-Liebhaber gerade alles dies sehr oft. Tut man's nicht,
so bleibt übrig das Vornehmere: Von den Deutschen höhere Leistungen
fordern. Paßt einem Volk eine „jüdische« Zeitung nicht, so mache es eigene,
bessere! Paßt ihm das jüdische Theater nicht, so spiele es selber
besser! Von selbst werden dann die Menschen ins „deutschere" Theater
gehen, die „Deutschere" Zeitung lesen. Die Iuden können's nicht übel-
nehmen. Werden es auch nicht tun. Denn sie sind nicht dumm, nicht
blind und nicht von vornherein ohne Gerechtigkeit.

Dann wäre also die „Iudenfrage" eine „Deutschenfrage" —? Vielleicht
ist es so. Eine künftige Betrachtung wird dieser Angelegenheit zu widmen
sein. Zuvor wird ein andrer Iudengegner zu Worte kommen. Nnd dann
wird zunächst die Frage im Mittelpunkt stehen: Was schaden die Iuden
— und was nützen sie uns? Wolfgang Schumann

Vom Heute fürs Morgen

Goldfische*

ie Goldfischc, die Herr Auburtin
in seinem Glas gezüchtet hat, sind
nicht ganz reiner Rasse. Mindestens
die Arahnen dieses reizenden Schwar-
mes müssen Stichlinge gewesen sein,
und es muß zugegeben werden, daß
das so entstandene Fischgeschlecht aller-
hand erfreuliche und anregende Merk-
male in sich vereinigt: Es hat mehr

* Bictor Auburtin, Ein Glas
mit Goldfischen (A. Langen, Verlag,
München).

Temperament als Goldfische zu ha-
ben pflegen und ist doch mehr wert als
gemeine Stichlingsbrut. — Der Ver-
fasser dieser kleinen Artikel geht mit
osfenen Augen durch die Welt und ist
nicht farbenblind. Er sieht unglaub-
lich vieles, woran hundert andere vor-
überdösen, und da er stimm- und wort-
begabt ist, bleibt er stehen und ruft
laut: Nein, was seid ihr für Narren?
Natürlich nehmen ihm das die Narren
übel, aber einige Freiherzige treten doch
zu ihm und hören seincn stichling-
mäßigen Scherzen zu. Das Beste an

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