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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1924)
DOI Artikel:
Häfker, Hermann: Die Himmelsdichtung, [1]
DOI Artikel:
Laßmann, Alfred: Das Problem des deutschen Bauernstandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0218

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und Ab von Sommer nnd Winter entspricht in unserer Seele, unserem Leib
ein Auf und Ab von Lust und Schmerz, Glück und Unglück, Gesundheit
und Krankheit, — Leben nnd Tod. Dem Strom des Menschendaseins
gleichend, fließt ein Strom durch das Himmelsgeschehen; das Urphänomen
des Himmels ist der Makrokosmos des menschlichen Urphänomens. Der
ungeheure Triumph aber, die Bändigung der Zeit durch die Zahl, wirft
nicht nur einen unermeßlichen Lichtstrom auf den Weiterweg der Mensch-
heit, entfesselt Wissenschaften, Techniken und die gesellschaftbildenden Kräfte,
sondern verheißt auch der unter der Qual sinnlosen Schicksalswechsels und
dem Lndfluch des Allen gleichen Todes verzweifelnden Seele einen Aus-
iveg der Erlösung. All diese Gedankenfluten gewinnen Gestalt: in fest sich
regelnden Religionssystemen, die die Geister dressieren, und in einem dichte-
rischen Aufjauchzen, das mit neugewonnenen Anschauungen und Gedanken-
Seifenblasen ein buntes Spiel treibt. Der Mensch wirft seine Gedanken
an den Himmel zurück: da haften sie als die Sternbilder. (Schluß folgt.)

Hermann Häfker

Das Problem des deutschen Bauernstandes *

^^n der Volkswirtschaftslehre betrachtet man den Bauern zuweilen nur
^ Hals Urproduzenten, als Nahrungsbeschaffer der Gesellschaft, und man
^^begnügt sich dann wohl, in der Förderung und Hebung seiner wirtschaftli-
chen Leistungssähigkeit das Problem des Bauerntums zu sehen, um Erzeugung
und Verbrauch landwirtschaftlicher Erzeugnisse innerhalb der Gesellschaft
in ein mögliches Gleichgewicht zu bringen. Niemals aber wird solche Betrach-
tung allein der Sachlage gerecht. Nnd vollends anders stellt sich die Frage,
wenn man die Kultur des Bauerntums in früherer Zeit in den Vorder-
grund rückt. „Kultur« sei hier begriffen als die Fülle von Lebensformen,
in welchen sich das individuelle und soziale Leben einer bestimmten Zeit be-
wegt. Doch diese Formen nun sind der Ausdruck einer gewissen Geistigkeit, die
ihrerseits wieder durch den jeweiligen Lebensraum der betreffenden Menschen
bestimmt wird. Ist es uns geläufig, daß die Ausdrucksformen des Bauern
in der Vergangenheit wesentlich von denen anderer Stände verschieden
waren, da sein Lebensraum und seine Arbeit in diesem anders waren, als
etwa die des Bürgers oder Arbeiters, so wissen wir auch, wieso seine
Geistigkeit, die sich in diesem Lebensraume entwickelt und entfaltet, eine

* Zum dritten Male wird nun im Kunstwart vom Bauerntum gesprochen.
Wir haben zuerst V. Geramb das Wort gegeben, der ans vorwiegend ästhe-
tisch-moralischer Einstellnng die Reize des Bauerntnms beleuchtete. Danach
Naumann, dessen wissenschastlich-soziologische Betrachtung eine gründliche
Klärung geistiger und anderer Eigentümlichkeiten des Bancrntums brachte. Nun-
vrehr dringt Prof. Laßmann zu den Grundlagen des heutigen Bauerndaseins
vor. Ein vierter, zusammenfassender Aufsatz wird folgen. — Der Gegcnstand
scheint uns eingehender Erörterung vollanf wert. Aber weniges weiß der Gebil-
dete von heute sich so wenig Nat wie über die Millionen Volksgenossen, die als
Banern ihr uraltes Werk treiben. Bald betrachtet man sie als das „Reservoir"
der Volkskraft, bald als reizvoll spielhafte Abart von Menschen, bald als die
wichtigste Gruppe des Volkes, bald als notwendiges Abel, bald als Lräger preis-
würdigster Werte, bald als zurückgebliebene und bedauerliche Hemmnisse der Ent-
wicklnng, bald als Hort der Zuknnft, bald als reif zum Untergang. Wie soll
auch nnr die schlichteste Vorverständigung über entscheidende Fragen des Volks-
lebens möglich sein, so lange solche Gegensätze ganz naiv austreten —? K--L
 
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