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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

DOI Heft:
Heft 10 (Juliheft 1924)
DOI Artikel:
Better, Adolf: Richard Schaukal: zu seinem fünfzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0169

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Nichard Schaukal*

Zu seinem fünfzigsten Geburtstag

^^ch bin den Freunden Richard Schaukals, die seinen 50. G-eburtstag
^»Zum Anlaß der heutigen Feier nahmen, dankbar dafür, daß sie mir
^--^es übertragen haben, zu Ihnen, hochgeehrte Damen und Herren, diese
einleitenden Worte zu sprechen.

Denn kann es für mich, der ich in jedem — auch dem geringsten Wen-
schen eine ganze Welt zu sehen geneigt bin, eine reizvollere Aufgabe geben,
als mich einmal vorsätzlich in eine ungewöhnlich reiche Persönlichkeit zu
vertiefen; staunend, fragend, verstehend nachzufühlen, was sie von der
Welt empfangen und ihr dafür gegeben hat! Umsomehr, wenn durch die
unbedingte Wahrhaftigkeit dieses Menschen alle seine Äußerungen —
nicht nur seine Worte, sondern sein ganzes Tun — zu zuverlässigen Zeug-
nissen seines Wesens wurden; und gar dann, wenn dieser ein lyrischer
Dichter und doch alle echte Lyrik ein Bekennen der Innerlichkeiten ist!
Aber am reizvollsten sinde ich an meiner Aufgabe, daß Richard Schaukal
zwar mit Vielem, worin er die Welt von Heute verneint, mir aus der
Seele spricht, daß jedoch meine Bejahungen und Hoffnungen und mein
Glaube mich ganz anders in die Zukunft blicken lassen als ihn. Einigkeit
im Geschmack — allerdings eine der stärksten Einigkeiten, die es gibt —
verbündet uns ebenso oft, als uns die Verschiedenheit in Aberzeugungen
— die etwas weit Zufälligeres sind — trennt. Dadurch werde ich fähig,
zu ihm, der ein rechter Tyrann sein kann, den Abstand zu gewinnen,
dessen ich gerade heute bedarf. Vielleicht wars eben diese Fähigkeit zum
Abstandhalten, die die Freunde bewog, mich hier sprechen zn lassen, nicht
für sie, sondern sür mich, nicht als irgend ein Fachmann, sondern als Zeit-
genosse schlechthin.

Reiche Anlagen und ebensolche Entwicklungsmöglichkeiten haben Richard
Schaukal zu einem so vielseitigen — ich möchte lieber sagen — zu einem
so vielpoligen Menschen gemacht, daß nicht einmal alle Freunde seinen
vollen Reichtum kennen...

Im ganzen Volke kennt und liebt man den Dichter, gar den Lyriker;
die Nation mag ihn heute ihren größten nennen, und sie wird ihn, deß
bin ich ganz sicher, immer mehr noch kennen und lieben lernen. Er hat
den Schatz des deutschen Volkes an lyrischem Meisterwerk — kein andres
Volk hat ihn schon so reich — noch wunderbar gemehrt. Er weiß wohl, wie
viele seiner Gedichte gesungen werden; weiß er aber, daß viele, und nicht
nur seine Kinderlieder, auch als Gebete dienen? Eine Mutter sagte mirs
einst, die nicht ahnte, daß ich ihn kenne. dlnd in allen Arten von lyrischem
Klang ist er Meister, kann ihn brausen, aufrauschen, klirren machen und
wieder augenblickelang zartest schweben lassen und ihn dennoch unverlier-
bar und tief ins Gemüt versenken. In solchen Augenblicken des durch ihn
vermittelten künstlerischen Genießens erreicht er das Höchste an dichterischer
Wirkung: man fühlt gleichsam die Zeit stillestehn. Man erlebt so die ge°
heimnisvolle Wirkung der künstlerischen Form; denn auf sie kommt,es
an. Ein alltägliches Geschehen, ein seltsames, ein demütig erlittenes, ein
heroisch bestandenes Erlebnis, einen Leitspruch, ein Lied der Schwermut,

* Diese Festrede wurde am 31. Mai in Wien gehalten. Der sozialistische
Redner feierte den Dichter, der im entgegengesetzten Lager steht. Lin sym-
bolischer und in gewissem Sinne vorbildlicher Vorgang. K°L.
 
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