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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 11 (Augustheft 1924)
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Eisler, Robert: Bilddeutung
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Schumann, Wolfgang: Heimatschutz und Bautätigkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0209

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ich schon vor vielen Iahren zeigen konnte, datz der junge Künstler — wie
bezeichnend auch im Menschlichen! — den „tzerakles am Scheide-
w sg" zwischen der Tugend und der Weichlichkeit des Lasters (nach der
berühmten Allegorie des Prodikos) darstellen wollte? Mutz immer noch
die verblasen-kitschige Unterschrift „himmlische und irdische Liebe" unter
dem unvergleichlichen Bild des Tizian stehen, auf dem uns Franz Wick--
hoff gelehrt hat, die dumpf vor sich hinbrütende Medea zu erkennen, der
Venus und Amor zum Mißbrauch der giftigen Zauberkräuter zureden?*
Muß man immer wieder Giorgiones Meisterstück — Aeneas in schick-
salsträchtiger Abendstunde bei Euander und Pallus aus der Hügelkuppe
stehend, die nachmals das ewige Rom tragen wird —, auch längst von
Wickhoff erklärt, als „die drei Weisen aus dem Morgenlande" bezeichnen?

Etwas anderes noch: Ist es nur bloße Pedanterie, und nicht in gewissem
Sinn auch Ehrensache, dem abseits schaffenden, vielleicht schon zu Leb-
zeiten Verkannten das wenige nicht wieder wegzunehmen, was
ihm Kenner endlich zu Rechten zugeteilt haben? Das Bild, das Sie —
nach Morelli — als Lorenzo Lotto abbildeten, ist seit langem —
von Mary Logan-Berenson, der Gattin des besten Lottokenners Bernhard
Berenson — als eines der drei allein erhaltenen Werke des Morto da
Feltre (um 1474) erwiesen worden. Wer die zwei andern Stücke kennt

— die Madonna im Bischofspalast von Feltre und das sog. „Konzert" im
Hampton-Court-Palace, in Wirklichkeit der jugendliche Iesus, der Iosef und
Maria und dem Schriftgelehrten Zachäus, seinem Schreiblehrer, den gehei-
men Sinn Ler Buchstaben erklärt — wer diese zwei je gesehen und die tzände,
den Faltenwurf, die Farbengebung, besonders ein ganz ungewöhnliches
Safrangelb, und die seltsam bedeutungsvollen halben Seitenblicke der Augen
beachtet hat, der kann die Richtigkeit dieser Zuteilung nicht bezweifeln.

Einmal berieten wir zusammen über eine Ausgestaltung des Berichti-
gungswesens in der Presse: wollen Sie nicht einem seit vierhundert Iahren
verstorbenen, allzu wenig bekannten Künstler ein solches „Berichtigungsrecht"
zugestehen? RobertEisler

Heimatschuh und Bautätigkeit

^^n Deutschland wird — daran ist kein Zweifel — nun wieder gebaut.
^KIind zwar nicht nur Kleinwohnhäuser und öffentliche Gebäude aller
^-^Art. Wohnhäuser überhaupt; auch Gasthöfe, Fabriken, ganze Siede-
lungen. Mehr als seit zehn Iahren. Es trifftnicht zufällig damit zusammen,
daß sich gleichzeitig damit an manchen Orten und mit mancherlei Kundge-
bung der „tzeimatschutz" meldet.

Er tut es mit Wendungen, die ich zum Anlaß nehmen möchte, eine Frage
aufzuwersen. Da lese ich: Angesichts der Bautätigkeit ist es unsere Aufgabe

— des Heimatschutzes und seiner Organisationen Ausgabe —, die Bau-
planungen zu überwachen. Sie müssen sich dem Bild der heimatlichen
Landschaft, der Gemeinde „einfügen"; die „heimische Bauweise" ist zu be-
vorzugen und zu pflegen. Heimische Künstler sind heranzuziehen. Auch all-
gemeine ästhetische Regeln werden vom tzeimatschutz aufgestellt: bauliche
Anpassung des Neuen an das umgebende Alte; die besondere Aufgabe des
Einzelbaus soll sich in dessen Außenbild ausdrücken.

* Ferd. Avenarius hat das Bild vor etwa 20 Iahren unter dem Litel „Aber-
redung zur Liebe" als „Meisterbild fürs deutsche Haus" und später als „Vorzugsdruck
des Kunstwarts" (Gravüre) herausgegeben und diese Deutung eifrig verfochten. K-L

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