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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 11 (Augustheft 1924)
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Schumann, Wolfgang: Heimatschutz und Bautätigkeit
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Elenora Duse: ein Epilog der Epiloge
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0211

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lahinlegen? Oder glauben wir, unsere jeweilige tzeimat sei gewiß das er-
reichte Ideal der Ideale? Wollen wir heutigen und kommenden Geschlech--
tern einfach Recht und Fähigkeit absprechen, ihre eigene, von der bisherigen
vielleicht bis in die Wurzel abweichende Bankunst zu entwickeln und sich
neben unserer und der überkommenen ihre Heimat künstlerisch zu gestal--
ten? Mit solcher Unduldsamkeit hätte man frühere, längst als fruchtbar er--
wiesene Kunstentwicklungen ersten Ranges unterbinden können!

Nein! Die allerschärfst durchdachten, sorgfältigst erwogenen Feinmaßstäbe
werden nötig sein, um die Heimatpflege vor Mißbrauch ihres Linflusses
zu bewahren. Propaganda der oben angeführten Art aber züchtet den
Mißbrauch. Sicherer werden wir noch gehen, wenn wir dem Heimatschutz
die übergreifende Zensurtätigkeit ganz verwehren, als wenn wir sie unter
so vereinfachten Gesichtspunkten fördern.

tzeimatschutz! Als ich ein Kind war, kannte niemand das Wort. Im
Kreise meiner Familie entfaltete sich mit zu allererst der schöne Gedanke.
Von der Zeitschrift, die das Werk des Kreises und seiner Freunde war,.
die ich heute leite, vom Kunstwart ist der heuts so rege Heimatschutz zu stärkst
gefördert, ja fast ins Werk gesetzt worden. Nahe fühle ich mich ihm verbun-
den. Weiß auch sehr wohl, daß der Zensurgedanke verführerisch ist und daß
er sich zunächst und mit vollem Recht wendet gegen die rücksichtlose Schleu-
derbauerei, gegen das sinnlose Wüten armseliger Lineal- und Zirkelwerker,
gegen die brutale Vergewaltigung anmutiger Schaubilder, gegen die platte,
geschäftstüchtige Nnbesonnenheit. Das alles braucht man mir nicht erst
einzuwenden.

Indessen, der wundervolle Grundgedanke muß rein gehalten werden!
Um der künstlerischen und seelischen Kultur willen sind wir ausgezogen; es
darf nicht geschehen, daß wir sie, die immer nur wird und niemals bloßer
behaglicher Besitz ist, nun in seinem Namen etwa vorgreiflich ersticken. Die
Preisfrage lautet nicht: Was müssen wir alles vom Erdenklichen tun? son-
dern: Wie erhalten wir das Erhaltenswerte, ohne das gute Werdende, sei
es selbst neu, kühn und fremd, zu hemmen? ' Sch

Eleonora Duse

Ein Epilog der Epiloge

/^»'o oft über die Duse geschrieben wurde, es war halb Hymnus auf
sd^eine große Schauspielerin, halb Klagelied über eine besonders
unglückliche Frau; aber die Klagelieder wogen vor. Dieses an-
gehäuft bittere Schicksal! Dieser Zwang, alle Kelche des Iammertals
auszutrinken! Dieses Gehetztwerden von allen Hunden dsr Welt! Die be-
geisterten Anbeter weinten, wimmerten, wehklagten, und ein um die Theater-
erde im Kreise hinlaufender Bach von Tränen war Eleonoras ewiger Be-
gleiter. Ia selbst die eiskältesten Reporter zogen vor ihr das Taschentuch,
— bis sie die weißen Haare hatte, sich nicht mehr schminkte und trotzdem
wagte, noch zu spielen. Nun begannen sie mit Seufzern, von denen der
zarteste die ungemessene Distanz nicht ahnte, die jeden Philister von der
Duse trennte, ihr Altgewordensein zu betrauern.

Welche Ahnungslosigkeit! Es war ihnen bis zuletzt nicht auf-
gegangen, was denn geschehen müsse, ehe eine einfache italienische Frau
in einem Ibsenstück, das bis in seine letzte Grimasse schon überholt war,
Pyramiden der Konvention und Salzsäulen des Reichtums auf die Knie
 
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