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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

DOI Heft:
Heft 9 (Juniheft 1924)
DOI Artikel:
Bekker, Paul: Richard Strauß: zu seinem 60. Geburttage
DOI Artikel:
Klopfer, Paul: Von der Baukunst und ihren Temperamenten, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0118

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Strauß fast stärker noch als in Pfitzner. Aber es führt bei ihm nicht zum
Verzweiflungsruf des Untergehenden. Es wandelt sich zur heiteren, fast
zynischen Ironie der Weltbetrachtung, der untragisch schmerzlosen Diesseits-
erfassung als eines jederzeit Vergänglichen, das ohne Ienseits-Gedanken
genommen und genossen wird, wie es dem sanguinischen Skeptiker erscheint:
ein Spiel von Nichtigkeiten, dem die Kunst einen heiter schmückenden Reiz
geistig beschwingter Unterhaltung, liebenswürdiger Verklärung gibt.

Dieses ist wohl der Generalnenner und darin liegt die Erfüllung der
Mozart-Seele, wie sie Strautz empfangen und durch die Metaphysik der
Romantik hindurch für sich zur Erscheinung gebracht hat. Sein Schaffen
ist eine sich klar in sich selber rundende Kunst. So sehr wir ihre Entfrem-
dung von der Gegenwart, vom Lebendigen, von der weiterwirkenden Kraft
des Suchens und Strebens empfinden, so deutlich müssen wir doch diese
Erscheinung in ihrer objektiven Bedeutung, in den Proportionen ihres
Baues, in der Gesetzmäßigkeit ihres Seins erkennen. Wir können es um so
mehr, je klarer wir die Entfernung sehen, je intensiver wir den KLltestrom
empfinden, der diese Gestalt und ihr Werk umfließt. Diese Sonne, die einst
so heiß brannte, wärmt nicht mehr, aber ein leuchtendes Licht ist sie noch
und auch dieses zeigt Bilder, die uns eine Bereicherung bedeuten. Ie mehr
das unecht Erlebnishafte von ihnen abfällt, um so stärker treten jene Vorzüge
hervor, deren Bezeichnung als artistische Werte keineswegs Geringschätzung
bedeuten soll. Der unechte Naturalismus der „Tondichtungen" vom „Don
Iuan" bis zum „Heldenleben" wird nicht mehr ergreifen, die „Salome"-
und „Elektra"-Tragik wird kaum noch als solche empfunden werden, auch die
Lyrik des „Rosenkavalieres" und der „Ariadne" wird nicht mehr da treffen,
wo sie einst hinzielte. Aber hinter alledem lebt der Geist eines Künstlers.
Wir rechnen ihn nicht zu den Führern und Propheten, nicht zu den Titanen
und Promethiden, auch nicht zu den Genien der Erfüllung, wie der war,
dem er nachstrebte. Aber wir wollen ihn darum stets gern erkennen als die
Diesseits-Erscheinung, die aus sich das harmonische Bild der Welt ge-
schaffen hat, die wir heut Vergangenheit nennen. Diese Welt versinkt, das
Bild aber, das der Künstler aufgefangen hat, leuchtet weiter, und über den
KLmpfen der Zeiten bleibt der verklärende Widerschein ihres Wesens im

Kunstwerk. ^

PaulBekker

Von der Baukunst und ihren TemperamenLen

v.

(Fortsetzung)

Der Wand- oder Gerüstbau im Ge-
gensatz zum stereotomen Höhlenbau. Er
ist die Form des sanguinischen Kul-
turtemperamentes. Diesem ist der Be-
griff des Schönen eingeboren.

^etrachten wir nun die entgegengesetzten Baustile, nämlich die, welche
den Raum auf andere Weise entstehen lassen. Wenn ich — denken wir
an einen Schneehaufen — nur in die Masse des weichen Baustoffes einen
Raum höhle, so kümmere ich mich nicht um das Außere, um die Form.
In der Baukunst — ich verweise z. B. auf die Sophienkirche in Konstanti-
nopel —ist tatsächlich das Äußere als solches schönheitlich nicht durchgebildet,
es ist in seiner Struktur vielmehr als eine Folge des Innenraumschaffens
 
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