Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

DOI Heft:
Heft 8 (Maiheft 1924)
DOI Artikel:
Bruns, Marianne: Frühling
DOI Artikel:
Klopfer, Paul: Von der Baukunst und ihren Temperamenten, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
vom Rauschen der Wälder träumt und vom Atem der Erde sich immer noch
nährt: Nie steigt er wieder nieder vom Stadtgetürm in die Ackerrille,
nie kann er mehr zurück in den Winterschlaf der Bilche und der Samen--
körner. Er muß weiter auf seinem Weg im Geist, der Tier und Pflanze,
Wetter und Iahreszeit überwindet, ob das weh oder wohl tut, ob wir das
wünschen oder uns sträuben, dem unbekannten Ziel entgegenzurennen:
Gleichviel, wir müssen leben. Ist der Gedanke bitter? Getrost! noch gehört
alles uns und gehören wir allem. Noch stehen wir auf der Erde, noch
blüht uns Frühling in die geöffneten Hände, noch füllt er uns mit Glück
und gibt uns neue Kraft zum Tun unseres Geistes. Wahrhaftig, er gibt
sie. Wir saugen ihn ein, so tief wir können, wir dürfen ihn lieben und
loben — im tief Geheimen dient auch er dem höchsten Werden des Mensch--
tums, das ihn — wer weiß es? — dereinst verleugnet.

Marianne Bruns

Von der Baukunst und ihren Temperamenten

Die Baukunst ist das bedeutendste
Ausdrucksmittel der Kultur. Ihren
Formwillen erkennen wir im Studium
der Bauwerke,

I.

in Kunstgelehrter hatte einmal einen Vortrag gehalten über das Schöne
U^^in der Kunst; da lobte ihn hinterher ein aufmerksamer und gebildeter
^^Zuhörer, und um ihn besonders.zu erfreuen, fügte er hinzu: „Es war
übrigens gut von Ihnen, daß Sie nicht bloß Architektur gebracht haben,
sondern auch etwas über Kunst, ich meine so Gemälde von Raffael, Dürer
und Rembrandt". Immer und immer begegnet einem der Laie mit der
Meinung, Kunst ist Malerei, Musik, Bildhauerei, nie aber Architektur,
obwohl gerade für sie das deutsche Wortgebilde „Bau-Kunst" üblich ist,
während gemeinhin nicht von Malkunst und Musikkunst, sondern nur von
Malerei und Musik gesprochen wird.

Ia, ist es keine Kunst, was Erwin von Steinbach im Straßburger Münster
— was Matthias Pöppelmann im Dresdener Zwinger geschaffen haben?

Wie kommt der Laie darauf, gerade die Baukunst nicht als „Kunst" zu
erkennen — oder besser, wie kommt er nicht darauf, sie mit einzubegreifen
in sein Begriffsvermögen von der Kunst?

Fragen wir zunächst: Was ist Kunst?

Kunst ist Spannungsäußerung.

Kunst ist nicht nur „etwas Schönes", etwas, das uns „gefällt". Gewiß,,
es gibt auch schöne Kunst; wir kennen das französische Wort „beau^ arts",
das eigentlich zu erkennen gibt, daß es eben noch andere Arten geben
müßte als schöne Künste — aber das heißt nie Kunst überhaupt, Kunst
schlechthin.

Für die Baukunst: Ein Bauwerk wird dann Anspruch auf das Beiwort
Kunstwerk haben, wenn es eine Spannung zum Ausdruck bringt, eine
Spannung, d. h. einen Form-- oder Raumwillen, den der Künstler im
Baustoff nach bestimmten Ordnungs- und Werkgesetzen zu versinnlichen
strebt. Zum Beispiel: Der Zwinger in Dresden. Der Kurfürst wollte einen
 
Annotationen