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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 9 (Juniheft 1924)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0137

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streitsüchtigen, zerlumpten Kindern. Kesselflicker waren es, aber das war
nicht die einzige Kunst, die sie verstanden, denn sie hatten sich Tags zuvor
auf dem Markte als Künstler, Gaukler, Musikanten und Spaßmacher
hervorgetan.

Bei den meisten Menschen pflegt es der Fall zu sein, daß nach einem
Markttage wie diesem ihre Taschen leer und ihre Kehlen trocken sind. An--
ders aber verhält es sich mit den Künstlern. Es sah nicht aus, als ob
irgendeiner von jenen Leuten im Hause Iohn Micky's arm gewesen wäre,
und wenn sie Durst hatten, so war es ein höllischer Durst, obgleich er un^
aufhörlich in gewaltigen Strömen von ausgeschenkten Flüssigkeiten er-
tränkt wurde. Sechs Männer waren mit ihren Frauen da, aber sie waren
nicht allein, denn sechs kleine Kesselflicker schrien heftig in den Armen
ihrer Mütter, bemüht, die Aufmerksamkeit und Beachtung seitens der
großen Kesselflicker auf sich zu lenken. Trotz ihrer Iugend schienen sie sich
irgendwie darüber klar geworden zu sein, daß Schreien das einzige Mittel
sei, um sich bemerkbar zu machen, und taten dies denn auch aus Leibes«
kräften.

Alles war in eifrigem Gespräche begriffen, doch bin ich nicht imstande,
zu sagen, worüber die Frauen redeten. Ihr müßt nämlich wissen, daß ich
kein guter Frauenkenner bin und keine Ahnung habe, ob sie Böses, Gutes
oder Gleichgültiges reden, wenn sie allein sind. Andere Leute, die Romane
über Frauen schreiben, behaupten, daß diese sich zumeist mit der Mode
beschäftigen, aber ich würde kaum recht handeln, wenn, ich die Frauen der
Kesselslicker über die Wunder der Mode reden ließe, wie sie die Damen
in der Grafton Street in Dublin tragen. Ich weiß nur, daß die sechs Kes-
selflickerfrauen miteinander redeten, während sie auf den Fässern und
Kisten des Ladens saßen.

Auch die Männer unterhielten sich zusammen, und zwar meist über
harmlose Dinge, wie Märkte, Spiele und Rennen. Sie sprachen von tapfe»
ren Heldentaten, die sie im Kampfe gegen verständnislose Polizisten verübt
hatten, wenn diese gegen arme, redliche Kesselflicker mit ungerechten Ge--
setzen vorgehen wollten, und von den gewaltigen Trinkleistungen und den
großen Räuschen, die sie sich angetrunken, von dem vielen Gelde, das
sie schon ausgegeben, und von dem furchtbaren Durste, der ihre Kehlen
nach einer jeden derartigen Heldentat ausgetrocknet hatte.

So tranken sie immerzu voll Lust und Fröhlichkeit, und wenn einer von
ihnen seinen Humpen zur Hälfte geleert hatte, so Pflegte er mit dem halb-
vollen Glase aus den Tisch zu klopfen und es durch Iohn Micky von neuem
füllen zu lassen, wobei dieser wohl acht gab, daß die Rechnung sofort bar
beglichen wurde.

Einer von den Männern hatte gerade erzählt, wie er eines Tages
einen Bauern, der ihm einen steifen Esel um fünf Schillinge verkauft,
ums Ohr gehauen hatte. Der Kesselflicker hatte das Tier einfach übermalt
und durch einen geheimen Kniff beweglich gemacht, worauf er dem Bauern
denselben Esel um dreißig Schillinge zurückverkaufte. Aber während noch
die Männer unter herzlichem Gelächter ihren Beifall zu erkennen gaben,
hörten sie etwas, das ein unbehagliches Schweigen unter ihnen hervorrief.
Eine Frauenstimme war es, die die Anterbrechung verursacht hatte.

Es gibt viele Arten weiblicher Stimmen, und die meisten von ihnen
sind süß und wohlklingend und angenehm; aber es gibt auch solche darun-
ter, die, wenn sie einem entgegentönen, bewirken, daß man sich hundert
 
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