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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Zur Diskussion gesteht
... de Teutonis triumphavit
Undecimum Certamen Ciceronianum Arpinas 1991
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Die Überschrift ist doppeldeutig: am Liceo Tulliano von Arpino erinnert sie auf einer Gedenktafel
an den Sieg des Arpinaten C. Marius anno 102 v.Chr. Aufs Jahr 1991 n.Chr. bezogen, umschreibt
sie die leichter wegzusteckende Niederlage der 52 deutschsprachigen Wettbewerbsteilnehmer
dieses Jahres, die als weitaus größte nichtitalienische Gruppe erstmals seit Bestehen dieser
Latein-Olympiade völlig leer ausgingen, während die italienischen Gastgeber einen fast totalen
Triumph feiern konnten: von den fünfzehn vergebenen Preisen und Anerkennungen errangen sie
allein elf.
Doch soll hier nicht am Ergebnis und an der aus ausländischer Sicht nicht so ganz gewährleiste-
ten Chancengleichheit herumgenörgelt werden, vielmehr soll wieder einmal (oder zum ersten
Mal?) auf diese großartige, hierzulande viel zu wenig bekannte Möglichkeit hingewiesen werden,
den altsprachlichen Unterricht auf internationaler Ebene aus seinem Schattendasein heraustreten
zu lassen und die einstige Weltsprache Latein in ihre angestammte Rolle zu versetzen, die für den
modernen Fremdsprachenunterricht selbstverständlich ist, nämlich grenzüberschreitende Kon-
takte in alle Welt hinein mühelos zu schaffen. Wenn junge Leute im Alter von 18 Jahren aus 20
Ländern Europas Zusammenkommen, um in gemeinsamem Wettstreit um den Lorbeer des be-
sten Lateiners übersetzend und kommentierend zu kämpfen, um sich drei Tage lang von der Rhe-
torik Ciceros umrauschen zu lassen, an der sich im Schmelz der italienischen Sprache oder Aus-
sprache die besten Geister des Landes von Papst Johannes Paul II., vom Präsidenten der italieni-
schen Republik, Francesco Cossiga, vom italienischen Ministerpräsidenten Giuglio Andreotti (in
absentia) über den Abt des Klosters Montecassino und den Bischof von Sora (in persona) bis zum
Schulleiter des Liceo Tulliano, zum Bürgermeister und zum Feuerwehrkommandanten von Arpi-
no alle beteiligen, die dazu berufen sind oder sich dazu berufen fühlen —, dann läßt man sich
auch als kritischer deutscher Lehrer gern von diesem Flair anstecken. Hier wurde noch etwas von
der viva vox Latina spürbar, zu der zu gehören oder gehören zu wollen sich offenbar keiner in
Italien scheut. Welcher Politiker hierzulande würde sich so offen und ungeschützt zur Latinitas
bekennen wie dort die Spitzen des Staates, der Kommune und der Wirtschaft? Wo sonst würde
sich eine ganze Stadt am Sonntagmorgen auf die Beine machen, um auf dem fahnengeschmück-
ten und mit Cicero-Plakaten beklebten Marktplatz die Sieger eines geistig anspruchsvollen Wett-
bewerbs, zumal in einer scheinbar toten Sprache, zu feiern wie anderwärts die Heimkehrer von
einem Fußball-Pokalsieg? Wo wird in einer Zeitung einem Übersetzungswettbewerb eine ganze
wort- und bildreiche Seite mitsamt dem lateinischen Prüfungstext eingeräumt? Wo anders würde
die Presse, die Handwerkskammer, der Regionalverband, die Touristikbranche, der Lions Club,
die Industrie- und Handelskammer u.a.m. ein solches Unternehmen finanzieren und damit auch
noch gut beim Publikum ankommen?
Kurzum: eine solche Größe im öffentlichen Leben — ein Versuch ist es längst nicht mehr — sollte
auch von uns, die wir dazu eingeladen sind, offen gefördert und nicht nur unter der Hand gehan-
delt werden. Förderung bedeutet: 1. gute Latein-Abiturienten zur Teilnahme zu ermuntern; 2.

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