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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Nr. 4
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Buchbesprechungen
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[Rezension von: Erich Möchel: Raubzüge]
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[Rezension von: Wolfgang Wenger: Die Manhatten Maschine]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0202

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Erich Möche/; Raubzüge. Roman. Wien; Deuticke Veriag 7992. 7 92 Seiten. DM 35,-.
,,Beim Wettstreit um eine der berühmtesten Handschriften der Antike werfen selbst honorable
Universitätsprofessoren ihre Würde über Bord und werden zu mörderischen Bestien. Doch der
Boden, auf den Erich Möchel die Leser dieser Satire lockt, ist so geschichtsträchtig, daß er eigent-
lich nur doppelt sein kann ..." So wird der Roman auf dem Umschlagtext vorgestellt. Werner
Fuld schreibt darüber im Feuilleton der F.A.Z. (18.9.92) u.a.: ,,Petronius hätte vermutlich seine
Freude gehabt an diesem Schüler Erich Möchel, der alle Requisiten des Reise- und Abenteuerro-
mans seines Vorbildes ausprobiert. Wie im "Satyricon« ist der Erzähler eine burleske Travestie
des Odysseus, der hier «Margites« genannt wird, also "Dummkopf«, nach dem Helden eines ver-
lorenen, von Aristoteles dem Homer zugeschriebenen komischen Epos. Erich Möchels Roman
spielt zwar in einer unbestimmten Zukunft, handelt aber von einer ungewissen Vergangenheit.
Nach dem Anschluß der östlichen Staaten war es zu einigen konventionellen Grenzbereini-
gungskriegen gekommen, die eine wirtschaftliche Rezession mit sich brachten. Zur ökonomi-
schen Gesundung des Systems scheute die Regierung vor radikalen Maßnahmen nicht zurück.
Die Autobahnen wurden privatisiert, aber auch die Universitäten. Volkswirtschaftlich relevante
Fächer fanden rasch ihre Mäzene in der Industrie, nur die Althistoriker wollte niemand haben.
Also schlossen sie sich in einem "Institut für Hellenistik« zusammen und sorgten selbst für ihre Fi-
nanzierung, indem sie den reichen und sammelwütigen Japanern alle möglichen wertvollen
Kunstschätze und Manuskripte verkaufen. [...] Da die Ressourcen eines kleinen Instituts begrenzt
sind, müssen kapitalkräftige Objekte erfunden und gefälscht werden. Die dafür verantwortlichen
Herren tragen so berühmte Namen wie Schadewaldt, Wilamowitz und Droysen — der Autor hat
die Elite der Althistoriker hier versammelt. Diese Grundidee ist nicht ohne Witz und vielleicht gar
nicht so utopisch." Kritsch bemerkt Fuld allerdings u.a.: Möchel habe ,,die angestrebte Form der
Satire nicht ausgefüllt. Zu oft verliert sich der Roman in Details, die allenfalls für Altphilologen
von Interesse sind und für den Fortgang der Handlung keine Bedeutung haben." Immerhin: ,,Die
groteske Odyssee der Fälschergruppe im Reisemobil durch ein Griechenland am Rande des Bür-
gerkriegs, die Kämpfe der Spezialisten untereinander und gegen die beutegierige Konkurrenz
sind durchaus spannend zu lesen. Der Autor hat nur nicht gemerkt, daß er hier den Stoff zu ei-
nem vergnüglichen Fernsehfilm in der Hand hatte. Aber das läßt sich nachholen."
Wo/fgang Wenger; D7e Manhatten Maschine. Roman. 5a/zhurg; Residenz-Ver/ag und Wien 7992,
geh., 7 7 7 Seiten, DM 32,-
Der dreißigjährige österreichische Autor W. Wenger hat in diesem seinem jüngsten Roman, wie
es Martin Grzimek in einer ausführlichen Besprechung für die F.A.Z. vom 20.10.92 formuliert
hat, ,,den Fluch der Götter an einem Ort aufgespürt, an dem die Aktualisierung der alten Mythen
eine kulissenreiche Bühne gefunden hat: im heutigen New York. In die düsteren Straßenschluch-
ten um den Times Square, in die nach Desinfektionsmittel stinkenden Räume einer Peep-Show,
in schattige Zimmer und verrauchte Bars hat Wenger die Helden des klassischen Altertums ver-
bannt. Doch natürlich sind Io und Zeus, Prometheus und Pandora, Kalypso und Herakles keine
Helden mehr, sondern Figuren einer modernen Leidensgeschichte von Schiffbrüchigen in einem
Großstadtmeer. Und ebensowenig ,erzählt' Wenger eine oder mehrere Geschichten, sondern
läßt vielmehr die allzu menschlich gewordenen Titanen um sich selbst und ihre alltäglichen Pro-
bleme kreisen." Die zentrale Figur der Handlung ist Io, ,,eine junge angehende Schauspielerin,

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