Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

DOI Heft:
Nr. 2
DOI Artikel:
Buchbesprechung
DOI Artikel:
Maier, Friedrich: [Rezension von: Helmut Flashar: Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne der Neuzeit]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0097

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Buchbesprechung

Helmut F/aihar; Inszenierung der Antike. Das griechische Drama auf der Bühne der Neuzeit.
Seck-Ver/ag München 7997. 406 Seiten und 36 Abbildungen auf 20 Tafeln. Preis 36,— DM
Wolfgang Schadewaldts Erkenntnis war es, ,,daß die Wesenserforschung der Antike nicht zu
trennen ist von ihrer Fortwirkung im neueren Europa". Für einen seiner bedeutendsten Schüler,
den Münchner Gräzisten Prof. Dr. Hellmut Flashar, ist diese Erkenntnis geradezu zum program-
matischen Anspruch geworden, dem er durch seine Forschungsarbeit genügen will; systematisch
untersucht er die Auseinandersetzung mit der Antike, die ja immer unter der Polarität zwischen
der jeweiligen Gegenwart und dem griechisch-römischen Altertum steht. Von Anfang an galt da-
bei Flashars Interesse auch dem antiken Drama.
Nun hat er die Ergebnisse seines langjährigen Forschungsvorhabens in einem stattlichen Band
vorgelegt. Wie sind die griechischen Tragödien, bes. die des Sophokles (hier wiederum vorrangig
der ,,Ödipus", die ,,Antigone", der ,,Philoktet") auf den deutschen, aber darüber hinaus auch
auf den europäischen Bühnen aufgenommen, dem jeweiligen Zeitgeist anverwandelt worden?
Wie gestaltet sich dabei ,,das Verhältnis von Text, Übersetzung und Aufführung"? Bei dieser Un-
tersuchung, die es so bisher nicht gegeben hat, läßt sich Flashar vom Erkenntnisinteresse leiten,
wie das Fremde und Ungewohnte des antiken Vorbildes sich mit den aktuellen Problemsituatio-
nen symbiotisch verbindet und wie sich in der Schöpfung einer neuen Aussage der uralte mythi-
sche Kern als Träger von dauerhaft Gültigem präsentiert. Das Verständnis der jeweiligen Aneig-
nung des Dramas offenbart ihm zugleich das Verhältnis einer Epoche zur Antike.
Die vierhundert Jahre Rezeption des griechischen Dramas seit der Aufführung des ,,Königs Ödi-
pus" auf dem Teatro Olimpico 1585 in Vicenza über das 17., 18., 19. bis ins 20. Jahrhundert
zeigt die Wirkungsmacht dieses literarischen Genos in den großen Ländern Europas: in Deutsch-
land, Frankreich, England, Italien, Griechenland. Indem Flashar vor dem Hintergrund der Ur-
sprungsbedingungen des antiken Dramas, die er ,,Zur Erinnerung" auf dem neuesten wissen-
schaftlichen Stand zunächst beschreibt, diese europäische Dimension der Verbreitung griechi-
scher Stoffe ausleuchtet, macht er nicht nur erkennbar, wie sehr das Theaterleben dieses Konti-
nents auf dem Fundament der Antike aufruht, er bietet indirekt auch einen öuerschnitt durch ein
wesentliches Stück der Kultur- und Geistesgeschichte Europas. Der Blick, den der Autor am Ende
auch noch auf die internationale Szene wirft — auf die Verarbeitung antikerTragödien unter den
Bedingungen des modernen Regietheaters, etwa in Amerika, Japan und China, ermöglicht es, die
Brechung des uns vertrauten Stoffes in Fremdkulturen kritisch zu beobachten, zugleich aber
auch den ungebrochenen Appellcharakter der alten Sujets zu bewundern. Flashar ist es gelun-
gen, die Gegenwart der Antike in großen Linien, aber auch in plastischen Details (er war ja oft
selbst bei Aufführungen beratend tätig, manche initiierte er sogar) eindrucksvoll vor Augen zu
führen.
Der altsprachliche Lehrer, dem an einem Nachweis der Aktualität der von ihm vertretenen Welt
gelegen ist und der außerdem — den Lehrplänen und Rahmenrichtlinien entsprechend — den
Aspekt der Rezeptionsgeschichte im Unterricht betonen will, tut gut daran, dieses Buch zu stu-
dieren; seine Lektüre bringt jedoch auch dem Deutsch- und Geschichtslehrer hohen Gewinn.
Flashars Buch darf gewiß zu den großen Werken klassischer Philologen gezählt werden, die be-

87
 
Annotationen