Buchbesprechungen
Lafacz, Joachim fHrsgJ; Zweihundert Jahre Homer-Forschung. Rückhhck und Aushhck. Stuttgart,
Leipzig; Teubner 7997. Xi/, 552 5. fCo7/oqu7um Rauricum. Bd. 2), 756,— DM.
,,Zweihundert Jahre Homer-Forschung" als Titel, dazu als Verfasser Gelehrte wie Uvo Hölscher
und Karl Schefold, Walter Burkert und Fritz Gschnitzer, Joachim Latacz und Hans-Günter Buch-
holz, dazu der Leiter der gegenwärtigen Ausgrabungen in Troja, Manfred Korfmann - die Erwar-
tungen, mit denen ich den umfangreichen Band in die Hand nahm, waren groß. Ich wurde nicht
enttäuscht.
Ein enzyklopädisches Kompendium kann aus einem Colloquium nicht entstehen, mögen auch
die einzelnen Abschnitte alle Bereiche der Homerforschung (bis auf die Rezeptionsgeschichte)
abdecken. Joachim Latacz, der Herausgeber, betont denn auch, erst zusammen mit den beiden
Bänden zu Homer, die er bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in der Reihe ,,Wege zur
Forschung" herausgegeben hat und ,,die dem Text als Kunstwerk gelten . . kann sich . . . eine
Gesamt-Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Homer-Gelehrsamkeit ergeben" (S. 7 Anm. 10).
Aber es gilt doch auch, was Uvo Hölscher feststellt (S. 419), nämlich ,,daß das Gewicht der Ent-
deckungen sich von der Philologie auf die Nachbarwissenschaften verschoben hat, auf Archäolo-
gie, Mykenologie und Historie, von denen seit der Jahrhundertmitte die kräftigsten Anstöße für
ein geschichtlicheres Verständnis der homerischen Epen gekommen sind." Ihnen gelten die um-
fangreichsten Abschnitte des Bandes, und hier ist die Lektüre für einen, der die Forschung der
letzten beiden Jahrzehnte nicht überblicken konnte, auch teilweise regelrecht spannend.
Auch bloßer Forschungsbericht ist der Band nicht. Zwar bilden in jedem Abschnitt ,,drei Aspekte
den roten Faden . . .: (1) die Entwicklung der Disziplin, (2) ihre Hauptprobleme zum gegenwärti-
gen Entwicklungszeitpunkt, (3) ihre Zukunftsperspektiven in der Sicht des Referenten." (S. 6)
Auch sind die Überblicke über die letzten ,,zweihundert Jahre Homer-Forschung" — Latacz
greift, um die,,Erforschung der Ilias-Struktur" zu überblicken, auch bis Aristoteles zurück — häu-
fig sehr instruktiv. Aber der Hauptakzent liegt doch in der Regel auf dem zweiten Punkt; und
auch hierbei ging es nicht um Scheinobjektivität eines Berichterstatters, sondern darum, daß je-
der der Referenten seinen Standpunkt mit kräftigen Strichen umreißt. Und da widersprechen sie
einander auch einmal.
Statt einen Überblick über den Inhalt zu geben, will ich einige Punkte nennen, die ich gelernt ha-
be bzw. die ich anregend fand:
— Die mykenische Zivilisation überlebte den Untergang der Paläste um 1200 v.Chr. noch um
etwa 150 Jahre. Allerdings darf die Nach-Palast-Zeit nicht mehr als Hochkultur angesehen
werden; auch war sie schriftlos.
— Die dunklen Jahrhunderte waren so dunkel nicht. Anfang der 80er Jahre wurden in Nichoria
in Messenien und vor allem in Lefkandi auf Euboia Siedlungsreste und Gräber gefunden, die
nicht nur davon zeugen, daß es auch nach dem Zusammenbruch der mykenischen Kultur im
10. und 9. Jh. teilweise beträchtlichen Wohlstand gegeben hat, sondern auch Handelsbezie-
hungen zum Orient und nach Ägypten, von denen Grabbeigaben wie Fayenceketten und
-gefäße aus Phönizien, Bronzegefäße aus Ägypten und Zypern, orientalische Glasperlen, da-
zu Goldschmuck in raffinierter Granulationstechnik zeugen.
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Lafacz, Joachim fHrsgJ; Zweihundert Jahre Homer-Forschung. Rückhhck und Aushhck. Stuttgart,
Leipzig; Teubner 7997. Xi/, 552 5. fCo7/oqu7um Rauricum. Bd. 2), 756,— DM.
,,Zweihundert Jahre Homer-Forschung" als Titel, dazu als Verfasser Gelehrte wie Uvo Hölscher
und Karl Schefold, Walter Burkert und Fritz Gschnitzer, Joachim Latacz und Hans-Günter Buch-
holz, dazu der Leiter der gegenwärtigen Ausgrabungen in Troja, Manfred Korfmann - die Erwar-
tungen, mit denen ich den umfangreichen Band in die Hand nahm, waren groß. Ich wurde nicht
enttäuscht.
Ein enzyklopädisches Kompendium kann aus einem Colloquium nicht entstehen, mögen auch
die einzelnen Abschnitte alle Bereiche der Homerforschung (bis auf die Rezeptionsgeschichte)
abdecken. Joachim Latacz, der Herausgeber, betont denn auch, erst zusammen mit den beiden
Bänden zu Homer, die er bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in der Reihe ,,Wege zur
Forschung" herausgegeben hat und ,,die dem Text als Kunstwerk gelten . . kann sich . . . eine
Gesamt-Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Homer-Gelehrsamkeit ergeben" (S. 7 Anm. 10).
Aber es gilt doch auch, was Uvo Hölscher feststellt (S. 419), nämlich ,,daß das Gewicht der Ent-
deckungen sich von der Philologie auf die Nachbarwissenschaften verschoben hat, auf Archäolo-
gie, Mykenologie und Historie, von denen seit der Jahrhundertmitte die kräftigsten Anstöße für
ein geschichtlicheres Verständnis der homerischen Epen gekommen sind." Ihnen gelten die um-
fangreichsten Abschnitte des Bandes, und hier ist die Lektüre für einen, der die Forschung der
letzten beiden Jahrzehnte nicht überblicken konnte, auch teilweise regelrecht spannend.
Auch bloßer Forschungsbericht ist der Band nicht. Zwar bilden in jedem Abschnitt ,,drei Aspekte
den roten Faden . . .: (1) die Entwicklung der Disziplin, (2) ihre Hauptprobleme zum gegenwärti-
gen Entwicklungszeitpunkt, (3) ihre Zukunftsperspektiven in der Sicht des Referenten." (S. 6)
Auch sind die Überblicke über die letzten ,,zweihundert Jahre Homer-Forschung" — Latacz
greift, um die,,Erforschung der Ilias-Struktur" zu überblicken, auch bis Aristoteles zurück — häu-
fig sehr instruktiv. Aber der Hauptakzent liegt doch in der Regel auf dem zweiten Punkt; und
auch hierbei ging es nicht um Scheinobjektivität eines Berichterstatters, sondern darum, daß je-
der der Referenten seinen Standpunkt mit kräftigen Strichen umreißt. Und da widersprechen sie
einander auch einmal.
Statt einen Überblick über den Inhalt zu geben, will ich einige Punkte nennen, die ich gelernt ha-
be bzw. die ich anregend fand:
— Die mykenische Zivilisation überlebte den Untergang der Paläste um 1200 v.Chr. noch um
etwa 150 Jahre. Allerdings darf die Nach-Palast-Zeit nicht mehr als Hochkultur angesehen
werden; auch war sie schriftlos.
— Die dunklen Jahrhunderte waren so dunkel nicht. Anfang der 80er Jahre wurden in Nichoria
in Messenien und vor allem in Lefkandi auf Euboia Siedlungsreste und Gräber gefunden, die
nicht nur davon zeugen, daß es auch nach dem Zusammenbruch der mykenischen Kultur im
10. und 9. Jh. teilweise beträchtlichen Wohlstand gegeben hat, sondern auch Handelsbezie-
hungen zum Orient und nach Ägypten, von denen Grabbeigaben wie Fayenceketten und
-gefäße aus Phönizien, Bronzegefäße aus Ägypten und Zypern, orientalische Glasperlen, da-
zu Goldschmuck in raffinierter Granulationstechnik zeugen.
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