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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Buchbesprechungen
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Spranger, Peter: [Rezension von: Vera U. G. Scherr: Aufführungspraxis Vokalmusik. Handbuch der lateinischen Aussprache]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0042

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!n den drei ersten flüssig geschriebenen Kapiteln geht es um die Themenbereiche Musik und
Sprache; Latein — Sprache der Kunst und des Kults; die italienische Aussprache des Lateins —
nur eine Frage von Zischlauten?; 2000 Jahre Latein und Europa; Motivation oder Die Qual der
Wahl. Mit hinreichendem Problembewußtsein ausgerüstet, ist der Leser bereit, sich auch durch
die anschließenden Phonetik-orientierten Kapitel führen zu lassen. Hier geht es um die Beschrei-
bung der Laute und ihre Einteilung; um die klassisch restituierte Aussprache des Lateins; um die
italienische Lautung und ihre Anwendung auf die lateinische Sprache; um die deutsche Ausspra-
che des Lateins. Zusammenfassend wird am Beispiel bekannter quantitätsbestimmter wie auch
akzentuierend-skandierender lateinischer Standardtexte eine Reihe von Transkriptionen jeweils
in klassischer, italienischer und deutscher Aussprache vorgestellt.
Ein abschließendes Kapitel gilt der seither wenig beachteten Frage: Wurde in Deutschland bis
zum Ende des 18. Jhdts. lateinische Vokalmusik in deutscher oder in italienischer Aussprache ge-
sungen. Auf Grund des eingehenden Studiums zahlreicher Autographen und Handschriften, vor
allem ihrer Orthographie und Silbentrennung, kommt die Verf. zu dem Ergebnis: ,,Die deutschen
Komponisten hatten bei der Niederschrift ihrer Kompositionen deutsches Latein vor Ohren, das
auch generell in deutschen Landen gesungen wurde" (S. 184). Man möchte wünschen, daß als
Folge dieser Erkenntnis die im deutschsprachigen Raum noch immer weithin übliche,,deutsche"
Aussprache des Kirchenlateins etwa bei der Aufführung von Mozart- und Haydnmessen eine von
der Sache her durchaus berechtige Aufwertung erfährt. Andererseits sollte ein Interpret, der sich
— aus welchen Gründen auch immer — für die italienische Aussprache entscheidet, beherzigen,
daß es nicht damit getan ist, mit einigen all' italiana gezischten Lauten dem Gesang ,,ein etwas
exotisch-attraktives Gepräge zu geben, ein Verfahren, das allenfalls einem Popsänger wohl anste-
hen mag", wie die Verf. temperamentvoll bemerkt (S. XVI). Um ein wirkliches,,italienisches La-
tein" singen zu können, sollte — so ihr zentrales Anliegen — zunächst die korrekte Aussprache
des Italienischen gründlich gelernt werden. Einstiegsmöglichkeiten bietet das vorliegende Hand-
buch.
,,Es muß eigentlich verwundern, daß in unserer Zeit, in der — angeregt durch die Besinnung auf
historische Aufführungspraxis — die Verwendung werkspezifischer Instrumente große Beach-
tung findet, der klanglichen Gestalt der lateinischen Sprache aber wenig Aufmerksamkeit zuteil
wird", bemerkt Helmuth Rilling in seinem Vorwort. Unser allzu stumpf gewordenes Gehör für
die klangliche Gestalt der lateinischen Sprache wieder geschärft zu haben, dies vor allem bleibt
das Verdienst des neuen Handbuchs mit seiner engagierten Sprache, seinen sorgfältigen phoneti-
schen Analysen und seinen gerade für den Praktiker hilfreichen Registern.
DR. PETER SpRANGER, Schwäbisch-Gmünd

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