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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

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Nr. 3
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Schuller, Wolfgang: [Rezension von: Dieter Lenzen: Vaterschaft. Vom Patriarchat zur Alimentation]
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https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0131

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nach Griechenland eingewandert, und zwischen 1200 und 1000 habe die ,,sogenannte griechi-
sche Völkerwanderung" stattgefunden, Mykene fehlt, und das Wort Dorer fällt nicht;,,religions-
geschichtlich" sei,,davon auszugehen, daß seit etwa 1600 die indogermanischen religiösen Vor-
stellungen mit den Vorstellungen der Urbevölkerung' verschmelzen und daß die so entstehende
,Adelsreligion' der olympischen Götterwelt im 8. bis 7. Jahrhundert den Höhepunkt ihrer Ent-
wicklung zeigt" — kein Wort von der Kontinuitätsproblematik zwischen Mykene und Homer;
der spartanische Verfassungsstaat sei ,,unter dem Eindruck äußerer massiver Bedrohung" ent-
standen ($. 77), und das wird später begründet mit der Behauptung,,,unsere Quelle ist ein juristi-
scher Text, die Verfassung Spartas" (er meint wohl die Große Rhetra, in Plutarchs Lykurg, kein
Wort über Authentizitätsfragen), sowie mit der angeblichen Tatsache, Sparta habe sich ,, unauf-
fällig' entwickelt, wenn man von der Tatsache absieht, daß die Spartaner eine Vermischung mit
der Landbevölkerung, den Heloten, vermieden. Deren Zahl wuchs im Laufe der Zeit allerdings
beträchtlich. Aus diesem Grund entstand der Bedarf einer gründlichen militärischen Absiche-
rung" (daß die Heloten grausam unterdrückt wurden, kommt nicht vor, auch die Eroberung Mes-
seniens wird verschwiegen) (S. 82); die spartanische und athenische Päderastie werden durchein-
andergeworfen und in beiden Fällen als eine normale, durchgängige, gesellschaftlich geforderte
Praxis hingestellt (S. 84 u.ö.); für die Verhältnisse außerhalb Spartas finden sich Sätze wie ,,Die
Polis reproduziert sich weniger durch die Produktionsgemeinschaft eines Oikos als über das Mili-
tär, ihre Flotte", und wenn mit so einem an sich schon sinnlosen Satz Athen mit der Polis über-
haupt identifiziert wird, dann auch durch ,,Bürger der Polis kann nur sein, wer väter- wie mütter-
licherseits von Polisbürgern abstammt", und endgültig nicht wissen, wovon er redet, tut der Ver-
fasser, wenn er die Phratrie als „Gemeinschaft" erklärt oder behauptet, es „übernahmen die Oi-
ken bestimmte Verantwortlichkeiten für einzelne Aufgaben des Staates, beispielsweise die Unter-
haltung eines bestimmten Schiffs" (S. 86); die Literaturangaben sind bunt zusammengewürfelt
(Anmerkungen gibt es natürlich nicht, manchmal wird ein „Lykurg" zitiert, womit Plutarchs
Lykurg-Biographie gemeint ist), bei einem Artikel aus dem „Rheinischen Museum" fehlen Band
und Seite (dafür steht „o.O."), und Joseph Vogt hat seine Mainzer Akademieabhandlung über
die Gleichwertigkeit der Geschlechter (der Herkunftsort Mainz fehlt) angeblich 1920 erscheinen
lassen statt in Wirklichkeit 1960. Auch Friederike Kempner grüßt gelegentlich, obwohl ihre un-
freiwillige Komik immer noch charaktervoller war: „Aus den Epen Homers kann in aller Vorsicht
allenfalls ein Rückschluß zumindest auf jene Wirklichkeit versucht werden, die im Vordergrund
jener Epen steht" (S. 81), oder: Der Erblasser erhielt „eine hereditäre Funktion, die im übrigen
der ökonomischen Tendenz des klassischen Griechenlands entsprach, in welchem die Sachwer-
te' nicht ohne Bedeutung waren" ($. 88).
Nicht besser steht es mit dem römischen Teil; wir wollen uns hier kürzer fassen. Von Romulus
und Remus vernehmen wir den kristallklaren Satz „Dieses Brüderpaar entledigte sich eines
Großonkels mütterlicherseits, der für die schwierigen Machtverhältnisse in ihrem Herkunftsland
verantwortlich war" (S. 93); fast eine halbe Seite lang wird aus einem dtv-Atlas wörtlich zitiert (S.
95); der Autor kennt einen „Codex juris civilis" und zitiert Gaius so: „t, S. 132" (S. 96); zu Terenz
wird klarsichtig bemerkt „Der Entstehungszeitpunkt dieser Reflektionen ist zu früh, als daß er un-
ter christlichem Einfluß zustande gekommen sein könnte. Dasselbe gilt für Vergils Aeneas (!
W.Sch.) aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert. Diese Geschichte ist als die römische Natio-
nalsage gekennzeichnet worden" (S. 101). Das Kapitel über das „Frühchristentum" beginnt so:
„Über die Zeit des Frühchristentums zu sprechen, bedeutet im wesentlichen, in Rom zu bleiben.
Zwar ging die christliche Bewegung nicht von Rom aus, sondern von Kleinasien "; auf derselben

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