Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 35.1992

DOI Heft:
Nr. 4
DOI Artikel:
Zur Diskussion gestellt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35880#0177

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
te, ,,schon seit Augustin ... sei geläufige Meinung gewesen, daß ... Missionierung nicht nur Ver-
pflichtung, sondern auch mit Gewalt durchzuführen sei" (MDAV 1/91, S. 8).
Diese Behauptung ist nun aber eine fable convenue, wie eine solche oft weitergegeben wird,
wenn sie dem ,,erkenntnisleitenden Interesse" gehorcht oder es wenigstens nicht stört. (Daß die-
ser Zusammenhang bei D. Beide nicht angenommen wird, habe ich schon sehr betont; er wie
auch Joachim Klowski [MDAV 2/92, S. 65] sind wohl an irgendeinem Orte auf diese Meinung als
auf den KpEtrtM^oyov gestoßen.)
Zu überprüfen aber war und bleibt diese fable convenue in doppelter Hinsicht: einmal im Blick
auf die behauptete Meinungsurheberschaft Augustins und sodann im Blick auf die behauptete
Geläufigkeit der Meinung, Missionierung sei mit Gewalt durchzuführen.
Was nun das Erstere betrifft, so kann Eckhard Reichert ein bloßes unbestimmtes Gefühl, das er
bei der Lektüre einzelner Augustinustexte empfand, nicht wohl gegen die vollständige Auswer-
tung aller einschlägigen Augustinusstellen anführen, welche Josef Ried auf der Grundlage einer
Computerkonkordanz (der Redaktion des Augustinus-Lexikons nämlich) vorgenommen hat.
Noch einmal sei auf die betreffende Veröffentlichung verwiesen: Josef Ried, Bellum im Denken
und in den Gedanken Augustins (Beiträge zur Priedensethik 7), Barsbüttel 1990. Auch gegen die
Analyse Carl Erdmanns läßt sich dieses Gefühl nicht stellen, der betont, daß die Coge-intrare-
Interpretation des Kirchenvaters nicht auf Gewalt m/ss/on gezielt habe (Carl Erdmann, Die Entste-
hung des Kreuzzugsgedankens, 1935 — Nachdr. Darmstadt 1965 — S. 9).
Im Blick auf die Behauptung, die Pflicht der Gewaltmission sei ,,geläufige Meinung" gewesen,
kann eine methodisch saubere Überprüfung, wie sie auch dem Nichthistoriker möglich ist, nur
so aussehen: Es muß ermittelt werden, ob diese Äußerung bestehen kann vor der Überschau und
der summierenden, das soll hier heißen: die Summe ziehenden, Beurteilung seitens objektiver
Historiker — oder ob sie da nicht bestehen kann. Ein erhebliches Mißverständnis muß z.B. der
Hinweis auf Literatur zu Brun von Querfurt schon als bloßer Hinweis bei einem historisch nicht
genau kundigen Leser herbeiführen (E. Reichert, S. 66). Da hätte es einer weitergehenden Unter-
richtung bedurft: Indem Brun von Querfurt den Einsatz von Gewaltmitteln zur Bekehrung heidni-
scher Wenden fordert und die genau entgegengesetzte Praxis Kaiser Heinrichs II., des Heiligen,
kritisiert, der mit Heiden gegen Christen zu Felde gezogen war, beweist er gerade, wie wenig ge-
läufig jene behauptete Meinung war.
Auch kann der Historiker von einem Nichtfachmann kaum die Heranziehung von Speziallitera-
tur verlangen. Als ein Mittel der Überprüfung kommen für einen historischen Laien auch unter
diesem Gesichtspunkt vielmehr summierende, d.h. hier, wie gesagt, die Summe ziehende Dar-
stellungen und Lexikonartikel in Frage. Dazu nun:
a) Eine, die älteste^ und wesentlichste, habe ich schon in meiner Gedankenskizze herangezogen:
Carl Erdmanns Werk ,,Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens". Ich führe die drei einschlägi-
gen resümierenden Sätze Carl Erdmanns noch einmal an: 1. „Der Gedanke des Missionskrieges
(hat) im Christentum keine allgemeine Anhängerschaft gefunden." 2. „Die kirchlichen Lehrer
(haben) häufig, vielleicht sogar in der Mehrzahl auf dem Standpunkt gestanden, daß das sittliche
Gebot, Frieden zu halten, in gleicher Weise gegenüber Christen und Heiden bestehe." 3. „Na-
türlich gibt es andersartige Äußerungen, aber man darf ihnen meines Erachtens kein entscheiden-
des Gewicht beilegen" (C. Erdmann, a.a.O. S. 9 bzw. S. 9 Anm. 14).
b) Von größtem Gewicht ist sodann der einschlägige Artikel „Mission, B. Lateinkirchliches
Abendland" des Lexikons des Mittelalters (Bd. 6, Lfg. 3, vor kurzem erst ausgeliefert). Verfasser
ist Hans-Dietrich Kahl, Gießen. Ich zitiere das hier Betreffende: „Im Abendland entwickelten

159
 
Annotationen