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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0058

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54

Hildegard Giess

väter der Zustand des Menschen nach dem Sündenfalle gekennzeichnet64. Um sich nun wieder dem Bilde
Gottes, nach dem er geschaffen wurde, anzunähern, muß sich der Mensch seiner Hüllen von toten Häuten
entledigen: er muß den alten Menschen ausziehen. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes
geschieht in der Taufe. Der an sich reale Akt des Ablegens der Kleider vor der Immersion gab den Pre-
digern Gelegenheit, den Symbolismus des Gewandes zu erörtern.
„Gleich nachdem Ihr eingetreten seid“, so wendet sich Cyrillus von Jerusalem an seine Täuflinge, „habt
Ihr Euch entkleidet. Dadurch ward versinnbildlicht, daß ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen
ausgezogen habt. . . Weil nämlich in euren Gliedern die feindlichen Mächte hausten, dürft ihr nimmermehr
jenes alte Kleid tragen. Ich meine durchaus nicht dieses sichtbare Kleid, sondern ,den alten, von trüge-
rischen Begierden verderbten Menschen'65. Die Seele möge diesen, wenn sie ihn einmal ausgezogen hat,
nicht wieder anziehen, sondern wie die Braut Christi im Hohen Liede sprechen: ,Ich habe mein Kleid
ausgezogen, wie soll ich es wieder anziehen?'“66 67
Diese allegorische Ausdeutung erhellt ein Motiv der mittelalterlichen byzantinischen Taufdarstellungen,
das meistens als „Genreszene“ oder als Wiedergabe eines Ritus erklärt wird (Abb. 26)™. Neben dem Flusse
Jordan oder zu Seiten eines Taufbeckens sieht man kleine Figürchen, die sich entkleiden. Eines davon
müht sich gewöhnlich damit ab, sein Gewand mit langen Ärmeln über den Kopf zu ziehen, ein anderes
entledigt sich des Schuh Werkes. Auch im Fluß schwimmende Figuren gesellen sich gelegentlich dazu.
Dieses byzantinische Motiv wird später von der italienischen Kunst aufgenommen und weitergeführt68;
es bietet dem Künstler auch Gelegenheit, seinem Bilde ein paar prächtige Bewegungs- und Aktstudien
beizufügen. Ursprünglich ist es aber nicht als Wiedergabe eines realen Vorganges, sondern als Symbol
aufzufassen.
Das Ausziehen der Schuhe wird mit großer Deutlichkeit gezeigt. Die Handlung kann aber auch durch die
abgekürzte Form der separat dargestellten Sandalen ersetzt werden (Paris, gr. 533). Im Pariser gr. 534
ist nur das Kleiderablegen, im gr. 752 des Vatikan nur das Ausziehen des Schuhwerks gezeigt. Formale
Beziehungen zwischen der Figur des sandalenlösenden Moses und den sich entkleidenden Täuflingen
bestehen nicht.
64 Vgl. Anm. 48 und Dani^lou, Platonisme, p. 30f. und 52-65.
68 Eph. 4, 22.
66 Cyrillus v. Jerusalem (|386), zweite Mystagogische Katechese, Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 41, Kempten 1922, S. 368.
Vgl. auch Danielou, Platonisme, S. 30f., ferner das bei Ph. Oppenheim OSB zusammengestellte Material in: Symbolik und
religiöse Wertung des Mönchskleides im christlichen Altertum. Theologie des christlichen Ostens, Heft II, Münster 1932, Kap. 1,
§ 1, Der Wechsel des Gewandes, S. 6-15. Hier auch ein Zitat aus dem Leben des heiligen Basilius (Amphilochius, Vita S. Basilii,
Migne PL 73, Kol. 299). Als er am Jordanufer getauft werden sollte, „legte er seine Kleider ab und mit ihnen ohne Zweifel den
alten Menschen, und so stieg er in das Wasser“ und wurde getauft.
67 Z. B. bei O. Wulfe, Die altchristliche und byzantinische Kunst, Bd. II, Berlin 1918, S. 562; K. Künstle, Ikonographie der
christlichen Kunst, Freiburg 1928, S. 380, rügt den „Unfug“ dieses Motives.
Folgende Darstellungen sind uns bekannt: 1. Paris, Bibi. Nat. gr. 533, fol. 146r, 11. Jh.; Abb. H. A. Omont, Miniatures des plus
anciens manuscrits grecs de la Bibliotheque nationale du VIe au XIVe siede, Paris 1929, T. 105. Taufe der Anhänger des Johannes.
Motiv der abgelegten Sandale. — 2. Rom, Bibi. Vat. gr. 752, fol. 199r, 11.—12. Jh.; Abb. E. T. de Wald, The illustrations in the
manuscript of the Septuagint, Vol. III, 2, Princeton 1942, T. 34. Der heilige Sylvester tauft. Sitzender Mann, der sich seine
Stiefel auszieht. - 3. Parma, Bibi. Palatina 5, fol. 92r, 12. Jh.; unsere Abb. 26. — 4. Paris, Bibi. Nat. gr. 550, fol. 166v, 12. Jh.;
Abb. H. A. Omont, Min. grecs, T. 112 (2). Taufe der Anhänger des Johannes. Eine Figur zieht sich ihr Gewand über den Kopf,
eine zweite legt ihr Gewand zur Seite, eine dritte beugt sich hinunter, um die Sandalen von den Füßen zu lösen. — 5. Paris, Bibi.
Nat. gr. 64, fol. 64v, 10.—12. Jh.; Abb. G. Millet, Recherches sur ITconographie de l’Evangile, Paris 1914, Abb. 175. Taufe der
Anhänger des Johannes, drei Männer legen ihre Kleider ab. — 6. Paris, Bibi. Nat. gr. 74, fol. 5v, 12. Jh.; Abb. H. A. Omont,
Ms. gr. 74, Paris 1908, T. 8 (2). Taufe der Anhänger des Johannes, links Figur, die sich ihrer Kleider entledigt, rechts Figur, die
einen Stiefel ausgezogen hat. — 7. London, Brit. Mus. Add. 39627, fol. 12r, 1356. Abb. B. Filov, Les miniatures de l’Evangile du
roi Jean Alexandre ä Londres, Sofia 1934, T. 9 (17) (Kopie von 6). — 8. Paris, Bibl.Nat.gr. 543, fol. 213v, 14. Jh.; Abb.
H. A. Omont, Min. grecs, T. 123 (2). Taufe der Anhänger des Johannes, Figur, die sich ihrer Kleider entledigt. — 9. Chios, Nea
Moni, Mosaik, Mitte 11. Jh.; Abb. Mosaiques de la Nea Moni de Chio, Athene, s. d„ T. 7. Figur, die sich ihrer Kleider entledigt.
Taufe Christi. — 10. Bibi. Vat. Urb. gr. 2, fol. 109 v, 1128; Abb. C. Stornajolo, Miniature delle Omilie di Giacomo Monaco, Roma
1910, T. 86, vgl. dazu T. 5. Taufe Christi, zwei Menschen, die schwimmen, ein dritter am Ufer zieht einen hohen Schuh aus, daneben
abgelegter Schuh und abgelegtes Gewand. - 11. Paris, Bibi. Nat. syr. 355, fol. 2r, 1193-1220; Abb. Monuments Piot XIX (1911),
T. 14. Taufe Christi, drei Figuren, die sich entkleiden.
68 Vgl. Künstle, a. a. O., und L. Reau, Iconographie de l’Art chretien, Bd. III, S. 300. Die byzantinischen Beispiele sind K.
nur unvollständig und R, nicht bekannt. Millet, Recherches, S. 206, verweist auf das Taufritual am Jordan.
 
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