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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0140

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136 Renate Wagner-Rieger
wurden als Unterbauten für Türme angelegt, von denen allerdings nur der südliche (erst wesentlich
später) ausgeführt wurde. Er erhebt sich über dem Portal, das reich profilierte Archivolten und schlanke
Säulchen an den Seitengewänden besitzt und sich im westlichen Joch der Südseite befindet. Angesichts der
Seltenheit von Westtürmen in der italienischen Baukunst ist auf die Anlage eines Westturmes über dem
linken Abseitenjoch an der Fassade von S. Maria della Vittoria zu verweisen20. Der 1958 sichtbare
Mauerbestand des Langhauses von S. Eligio ließ eindeutig zwei mittelalterliche Bauphasen unterscheiden
(Abb. 87). Nach dem ersten Plan besaß die Kirche fünf, im Mittelschiff sehr schmale, in den Seitenschiffen
annähernd quadratische Joche, die durch profilierte spitzbogige Arkaden auf ziemlich hohen Pfeilern
getrennt waren; die Arkadenbogen des westlichen Eingangsjoches waren höher als die übrigen. Wie an
verschiedenen Stellen, vor allem aber am westlichen Pfeiler der Südseite (der zwar in Einzelheiten über-
arbeitet, in der Form jedoch im ursprünglichen Zustand erhalten blieb), erkennbar ist, besaßen die
Pfeiler als wesentliche Grundform einen rechteckigen Kern mit seitlich je einer kräftigen, halbkreis-
förmigen Vorlage. Dieser Jocheinteilung entsprechen die Strebepfeiler außen an der Südseite. Der Bau
war auf Kreuzrippengewölbe angelegt, die zumindest in den Seitenschiffen sicherlich ausgeführt
waren und, wie die Dienste im Mittelschiff zeigen, auch dort geplant waren (Abb. 86). Dieser Zustand
wurde im späten Mittelalter stark verändert, möglicherweise nach einem Erdbeben. Nur das westlichste
Joch behielt seine Pfeiler- und Arkadenhöhe, im übrigen Langhaus entfernte man beiderseits den zweiten
und vierten Pfeiler und ersetzte den dritten durch einen breiten, niedrigen, der in der Längsachse poly-
gonal abgearbeitet wurde (Abb. 86, 89). Auch die relativ niedrigen, etwas gedrückt wirkenden Spitz-
bogenarkaden erhielten einen polygonalen Unterzug, der auch noch der westlichen Arkade der Südseite
unter Beibehaltung der alten Höhe unterlegt wurde. So entstand der Eindruck eines weiten, zweijochigen
basilikalen Raums, dem im Westen ein schmales, hohes Querschiff angefügt war. Ob und in welcher Art
man das Mittelschiff dieses zweiten Baues einwölben wollte, kann ich nicht entscheiden; über dem
Scheitel des östlichsten Arkadenbogens der Südseite sowie über dem folgenden Pfeiler finden sich Reste
von unvermittelt endenden dreiteiligen Wölbevorlagen.
Auf Grund dieser Beobachtungen wird man annehmen können, daß dem Langhaus von S. Eligio I, das um
1270 in Angriff genommen wurde, wohl ein von der französischen Gotik inspirierter Plan zugrunde lag,
der aber bereits im Sinne süditalienischer Bautraditionen umgeformt worden war. Letzterem ist die
starke Verbreiterung des Mittelschiffes und vor allem die Form der Pfeiler zuzuschreiben; deren poitivini-
sche Grundform, die auch im Chorumgang von S. Lorenzo auffällt, hatte sich schon in der älteren süd-
italienischen Architektur seit der Normannenzeit ein gewisses Heimatrecht erworben und wurde auch
andernorts, etwa am Dom von Siena, an prominenter Stelle vorgetragen21. Man wird wohl annehmen
können, daß die Angleichung an lokale Bauformen in S. Eligio weiter getrieben wurde als bei den viel
unmittelbarer mit Frankreich verbundenen Zisterzienserkirchen von Real Valle und S. Maria della
Vittoria22.
Angesichts dessen, daß die Überlieferung gewölbter dreischiffiger Langhausanlagen aus angiovinischer
Zeit so spärlich ist, mag es erlaubt sein, auf einen weiteren, hiefür allenfalls in Frage kommenden Bau
hinzuweisen, nämlich den Dom von Carinola in Campanien23. Der um 1100 errichtete Bau, dessen Vor-
halle noch in der alten Form erhalten blieb, wurde am Ende des 13. Jahrhunderts gotisch umgebaut und
im 17. Jahrhundert nach einem Brande barockisiert. Unter dem Stuck läßt sich noch deutlich der gotische
20 Siehe Fiocca (Anm. 3). Für diesen Turm war wohl die 1282 von Amatrice gebrachte Glocke bestimmt, so daß man nicht mit
Egidi einen Vierungsturm anzunehmen braucht.
21 Zu dieser Pfeilerform siehe Wagner-Rieger, Die italienische Baukunst II, S. 143.
22 Nur nebenbei kann hier auf die Kleinformen hingewiesen werden. Die Knospenkapitelle des Chores von S. Lorenzo, die auch im
Langhaus auftreten (dort allerdings sehr restauriert), stehen auf einer stilistisch relativ altertümlichen Stufe; sie tauchen vereinzelt
aiuch noch um 1300 in der rechten Kapelle des Neapler Domchores auf. Naturalistischere Blattknospen und Blätter finden sich in
Real Valle (1274-1282) und sind den wenigen, im ursprünglichen Zustand erhaltenen Pfeilerkapitellen in S. Eligio I verwandt; es
sind jüngere Formen, denen noch die Portalkapitelle von S. Eligio zeitlich nachfolgen. Ferner ist festzuhalten, daß der letzte
Pfeiler der Südseite von S. Eligio an den polygonalen Sockelflächen Halbkreisbogen eingemeißelt hat. Solche kommen auch im
Chor von S. Lorenzo vor, jedoch nur an den Sockeln des Triumphbogens, der zum spätesten Teil des Chorbaues gehören muß.
Das Motiv taucht auch noch später in S. Pietro in Maiella (1313—1316) auf.
23 Schulz, a. a. O., II, S. 151, - F, Ughelli, Italia Sacra, Roma 1644ff., VI, S, 467f, - E, Bertaux, L’art dans l’Italie
meridionale, Paris 1904,
 
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