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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0214

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210

Rolf Kultzen

In einem vergleichsweise ruhigen Figurensti] gibt endlich das Fresko mit dem thronenden Feldherrn
(Abb. 142) ein in der Raphaelschule nach antiken Vorbildern mehrfach verwendetes Kompositions-
schema wieder15.
Gemeinsam ist allen Fragmenten im Palazzo Barberini jene dynamische Vortragsweise eines gedrängten
Reliefstils, die Polidoro in voll ausgebildeter Form erstmals an seiner Dekoration des Palazzo Ricci zeigt
und bis zu ihrem allgemein anerkannten Höhepunkt an der Fassade des Palazzo Milesi in der Via Maschera
d’Oro konsequent weiterentwickelt16.
Ihrer zeitlichen Entstehung nach dürften die Malereien an der Piazza Madama zwischen eben diese
beiden Fassadendekorationen gehören. Dieselbe Stelle nehmen sie auch in der Aufzählung der Werke
Polidoros bei Vasari ein, welche allem Anschein nach im wesentlichen chronologisch geordnet ist17.
Da nun die Zeit der selbständigen Tätigkeit Polidoros in Rom zwischen 1519 und 1527 anzusetzen ist
(etwa beginnend mit dem Abschluß der Ausmalung von Raphaels Loggien im Vatikan und seitdem
ununterbrochen fortgesetzt bis zum Sacco di Roma, wonach Polidoro die Stadt für immer verläßt),
wären bei einer annähernd regelmäßigen Aufeinanderfolge seiner Arbeiten während dieser Zeit die
Malereien an der Piazza Madama gegen 1525 zu datieren. Leider ließ sich weder das genaue Datum dieses
Auftrages an Polidoro noch die genaue Lage des von ihm bemalten Hauses an der Piazza Madama
ermitteln18.
Einen grundsätzlichen Hinweis verlangt hier die Einstellung des Künstlers seinem römischen Thema
gegenüber. Es zeigt sich nämlich, daß Polidoro in den betrachteten Szenen auf eine bis in jede Einzelheit
wortgetreue Schilderung einmaliger historischer Vorgänge anscheinend weitgehend verzichtet.
So läßt sich der nach unserer Kenntnis zuerst von Vasari mit Aemilius Paulus in Zusammenhang gebrachte
Triumphzug von der Piazza Madama nur ganz allgemein auf den bei Livius und Plutarch sehr detailliert
beschriebenen Einzug dieses Feldherrn in Rom nach seinem Siege über den König Perseus beziehen19.
Zugleich mag es diese Beschränkung auf die wichtigsten Elemente einer antiken Triumphdarstellung
auch erklären, daß Bottari in dem Nachstich Cherubino Albertis den wahrscheinlich wesentlich früher
entstandenen Triumph des Camillus von Polidoro wiederzuerkennen glaubte20. Da die späteren Betrachter
von Polidoros Malereien sich bei deren inhaltlicher Deutung durchweg mit der jeweils nächstliegenden
Erklärung aus dem Kreise der bekanntesten römischen Geschichten begnügen und entlegenere Themen
mit Bemerkungen wie ,,infinite altre storie romane“ abtun, fragt man sich hier weiter, ob Celios Bezeich-
nung „attioni delle Sabine“ für den Friesteil mit dem Reiterüberfall nicht überhaupt nachträglich ein-
geführt sei. Jedenfalls kann diese Szene mit den sonst üblichen Darstellungen des Sabinerinnenraubes
kaum zusammengesehen werden21. Zu den Ereignissen aus dem Leben des Aemilius Paulus allerdings
läßt sie sich noch weniger in Beziehung setzen, während wir diesen in der Szene mit dem thronenden
Feldherrn, für die uns in der Literatur keine Benennung überliefert ist, immerhin vermuten dürfen.
Die Beiläufigkeit, mit der die Kunstkritik des 16. und 17. Jahrhunderts ikonographische Daten bei
Polidoro registriert, scheint durch jene in seinen Malereien spürbar vorherrschende Auffassung gerecht-
fertigt, derzufolge dem Künstler die geläufigen Themen der römischen Geschichte und Mythologie in
erster Linie als Medium für die Wiedergabe eines antikischen Gesamteindrucks dienten. Wohl sind seine
15 Vgl. die auf Giulio Romano zurückgehende Szene, wo Gefangene vor einen römischen Feldherrn geschleppt werden, in dem
Nachstich des G. B. Franco, B. XVI, p. 316, Nr. 54 (siehe bei H. Dollmayr, Giulio Romano und das klass. Alterthum, Allerh.
Jb. XXII, 1901, S. 203f.); für das auf römischen Reliefs häufige Motiv genüge hier der Hinweis auf eine Adlocutio von der
Attika der Nordseite des Konstantinsbogens (siehe M. Wegener, Arch. Anz. LIII, 1938, S. 184, und A. Giuliano, Arco di
Costantino, 1955, Nr. 25).
16 Vgl. M. Giovanni Iannoni, Graffiti e Chiaroscuri esistenti nell’esterno delle Case, Rom (bei E. Maccari) 1876, Taf. 38, und
G. B. Galestruzzi, B. XXI, p. 53f., Nr. 3-8; p. 58f., Nr. 16-20; p. 63, Nr. 52, 2.
17 Die mangels fester Daten notwendige stilistische Einordnung unserer Szenen in die chronologische Abfolge der römischen
Fassadenmalereien Polidoros hoffe ich in einem größeren Zusammenhang näher behandeln zu können.
18 Zur Topographie der Piazza Madama vgl. Anm. 3.
19 Vgl. bei Livius, XLV, 40, 41, und bei Plutarch in der Biographie des Aemilius Paulus 32-34; siehe auch bei Valerius Maxi-
mus, V, 10, 2.
20 Vgl. G. Bottari, Römische Vasari-Ausgabe 1759, II, p. 287, Anm. 1.
21 Vgl. den Sabinerinnenraub Polidoros am Pal. Milesi, nachgestochen von Cherubino Alberti, B. XVII, p. 86, Nr. 112, und von
Galestruzzi, B. XXI, p. 53, Nr. 4, 2.
 
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