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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0238

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234

Günter Urban

andererseits eine Verarbeitung manieristischer Stiltendenzen nicht zu übersehen ist. Burckhardts
Urteil, daß seine Arbeiten „meist etwas nüchtern“ seien44, trifft mehr für die Frühzeit zu.
Abgesehen von diesen Grundzügen ist Antonios Festhalten an einem architektonischen Typenschatz
ebenso charakteristisch für ihn, wie seine architektonische Vorstellungsweit zeitlebens mehr in einem
in sich abgeschlosseneren Bereich kreist. Viel weniger eine Gelehrtennatur als etwa Peruzzi, sind seine
Entwürfe nie vollends freie, neue, selbständige Schöpfungen. Die einmal geprägten Vokabeln kehren in
seinem Werke oft zu den verschiedensten Zeiten wieder, werden neu interpretiert oder vermischen sich
mit dem Erbe, das er von Giuliano da SangaHo und den Florentinern einerseits, als Maestro in der
Fabbrica di S. Pietro von seinen Vorgängern andererseits übernommen hat.
Es ist nicht Aufgabe der vorliegenden Studie, das Gesamtwerk des Antonio auszubreiten und dann nach
den Einzelbeziehungen untereinander zu fragen. Wir müssen uns auf eine Auswahl beschränken, die es
erlaubt, der Cesi-Kapelle ihren Platz im CEuvre zuzuweisen.
Es zeigt sich schnell, daß die Gesamtlösung mit ihrer Einbindung der Grab- und Altararchitektur von
den klassisch strengeren Frühwerken getrennt ist.
S. Maria di Loreto, nach 1507, weist im Außenbild einen einfachen und ruhigen Aufbau auf. Die
Gliederung tritt nur wenig hervor; noch stark ist der Eigenwert der Fläche des Gesamtblockes, dem die
Gliederung auferlegt ist. Aufwendige Dekoration, eingepaßte Rahmen, Okuli oder dergleichen werden
nicht verwendet oder sind ganz zurückgedrängt. Der Innenbau steht in einem gewissen Kontrast zum
Außenbau. Hier herrscht die Gliederung stärker eigenwertig vor; klassische Kompositkapitelle und
kannellierte, aber flach gehaltene Pilaster bilden den Kanon. Die einzelnen Halbkreisnischen sind von
der Raummitte aus klar überschaubar; die Nischenabtreppung ist so gegeben, daß das Auge den Gesamt-
nischenraum sofort erfaßt.
In S. Spirito in Sassia, 1538 begonnen, ist die Nischenbreite größer als ihr Eingangsbogen, was zu
einer kleinen, aber im Gesamtrhythmus doch wichtigen Nischenraum-Verschleierung führt. In S. Maria
di Loreto gleicht die Nischensockelhöhe den flankierenden Pilastersockeln, doch werden diese in der
Gliederung (Basis und Sockelbank) voneinander abgesetzt. In S. Spirito in Sassia läuft das Basisprofil,
trotz der Ausweitung von den flankierenden Pilastersockeln ausgehend, in der Nische einheitlich umlau-
fend fort45.
Die Kapelle des Kardinals Alborense in S. Giacomo degli Spagnoli, um 1519 geschaffen, zeigt einen
einfachen strengen Raumkasten von ebenso einfachen überschaubaren Verhältnissen - wie überhaupt
diese Kapelle den klassischen Charakter der italienischen Hochrenaissance in der Prägung des Antonio
da Sangallo sehr rein verkörpert46 (vgl. Fig. 546-550 bei Venturi, Bd. XI, 1). Wieder sind kanneliierte,
hier bis zur Sitzbank durchgehende Pilaster gegeben, die mit einem Gesims im klassischen Gebälkaufbau
und einer reinen Halbkreistonne das architektonische Gerüst bestimmen. Die Sockelpartie ist nur
zwischengezeichnet, ohne die Raumproportionen entscheidend festzulegen. An der Altar- und Eingangs-
wand „schiebt“ sich das Lünettenfenster „in die umlaufende Gebälkzone“, so daß diese Wände durch
„einseitige“ Gesimsverkröpfung leicht betont und herausgestellt werden. Ebenso gewinnt der strenge,
etwas nüchterne Altarbau mit der vorgestellten Sockelzone und den Halbsäulen stärkeren, von der
Kapellenarchitektur getrennten Wert.
Die Cappella del Sacramento im Dom zu Foligno (vgl. Fig. 558 bei Venturi, Bd. XI, 1), um 1527/28
erbaut, erhebt sich über einem Quadrat mit abgeschrägten Ecken, ähnlich der Chigi-Kapelle Raffaels in
S. Maria del Popolo zu Rom. Gegenüber der strengen klassischen Alborense-Kapelle mit ihren flachen
Pilastern ist die Wand stärker mit Gliederungen durchsetzt. Von einer hohen umlaufenden Sockelzone
aus steigen ionische Ordnungen auf, deren Volumen im Verhältnis zum Gesamtraum größer als bei den
bisher betrachteten Beispielen ist. Rechteckige Nischen lösen das strenge Flächenschema. Das Nischen-
gesims ist bei gleicher Höhenlinie über die Diagonalseiten herumgeführt und umzog, wie auch die
Zeichnungen des Sangallo bezeugen, den gesamten Raum47. Ebenso sind die Basen der Nischengliederung
und der aufsteigenden gewinkelten Pilaster durch einheitliche Profilglieder miteinander verbunden.
44 J. Bubckhabdt, Der Cicerone, Bd. I, S. 278 (Gesamtausgabe DVA, Stuttgart 1933).
45 Zu S. Maria di Loreto u. S. Spirito in Sassia vgl. die Abb. bei Venturi, a. a. O., Bd. XI, 1 (1938), Fig. 475, 479 u. 592. Weiter-
hin Uffiz. Dis. A. 1888 (S. Spirito in Sassia).
46 Zum Kapellengrundriß vgl. Uffiz. Dis. A. 905. 47 Vgl. Uffizien, Dis. A. 877 (27,2 x 41,3 cm).
 
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