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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0260

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256

Paul Künzle

eigentlich Ansehen, Größe und Würde verliehen zu haben, dank der Bedeutung nicht minder als durch
die Gestalt, daß nun einerseits Roß und Reiter aus Erz kaum mehr von ihrem Flecke wegzudenken sind,
ohne die Stätte zugleich und zutiefst um ihren Sinn zu bringen, und andererseits dieselbe, noch von antikem
Golde schimmernde Bronzegruppe gern den Eindruck erwecken möchte, als hätte ihr die eingenommene
Stellung von jeher gehört, stünde die Herkunft vom Lateran nicht allzu eindeutig fest. Wie demgemäß die
heutige Piazza del Campidoglio3 gewiß nicht zuletzt eben auf das Bronzestandbild hin zu betrachten
und von da aus zu erklären und zu beurteilen ist, so wird vor allem gerade seine Ankunft auf dem
Hügel und dort seine Erhebung auf den marmornen Fuß für ihr volles Verständnis entscheidend wirken
und folglich auch die Frage nach dem Anteil von Michelangelo an dieser Schöpfung am allerehesten sich
dorthin richten müssen.
Wie sehr man bei solcher Lage der Dinge wohl mit Recht verwundert sein mag über die Unsicherheit,
die sich gerade hinsichtlich jenes marmornen Sockels mehr und mehr geltend macht, und über das immer
willkürlichere Mutmaßen um seine Entstehung, um Zeit und Ausmaß eines gewissen Wandels, dem er
unterworfen war, doch womöglich noch stärker muß das Befremden sein, sobald man ein so offenkun-
diges, unbedingt aufsehenerregendes Begebnis, wie die Überführung jenes außergewöhnlichen Denkmals
in einer gewiß nicht wortkargen Epoche wie dem 16. Jahrhundert, so unbeachtet und fast ohne Er-
wähnung findet, daß bis heute noch niemandem gelungen ist, ganz genau den Tag zu bezeichnen, an dem
sich schließlich der Reiter vom althergekommenen Standort beim Lateran4 entfernte, um das einstige
Märzfeld und die päpstliche Pfalz mit dem Hoheitsgebiet des Kapitols zu vertauschen, wo er nun, wie
vom alten Palast des Senators ausgegangen, und zu beiden Seiten begleitet von den herandrängenden
Palästen der Gemeinde mit ihren Wandelgängen und dem ergriffenen Volk, in Feldherrntracht und
feierlicher Haltung, gegen Abend gewandt, mit der Linken noch immer die Zügel und die beflügelte Göttin
des Sieges, obwohl unsichtbar, behutsam vor sich haltend, und die Rechte eben beim Anblick der zu
Füßen ausgebreiteten Weltstadt friedegebietend erhoben, vorwärts zu reiten scheint, als zöge es ihn noch
weiter, bis hinüber zu den Höhen von St. Peter.
Carlo Fea5 hatte bereits, auf eine Chigihandschrift gestützt, die Wanderung dieses antiken Bronzereiters
vom Lateran zum Kapitol auf den 23. März 1538 festgelegt. Aber auch damals mußte schon allein aus dem
Zusammenhang dieser Irrtum leicht zu erkennen sein: konnte ein solches Ereignis doch unmöglich aus-
gerechnet zu jenem Zeitpunkt angesetzt werden, da der Papst feierlich die Stadt verließ für die Friedens-
gepräche zu Nizza. Rodolfo Lanciani6 hat ungefähr ein halbes Jahrhundert später, unter Berufung auf die
gleiche Quelle, den 24. März angegeben. Damit war allerdings der Irrtum nicht behoben, sondern durch
die willkürliche Zufügung eines Tages zur Angabe der Unterlage nur noch verschlimmert, und sicher
hatte man so auch keine größere Wahrscheinlichkeit für den Zusammenhang gewonnen. Unglücklicher-
weise wurde Lancianis Zeitbestimmung bald Gemeingut und ist es lange geblieben, obwohl Ludwig von
Pastor7 schon in der ersten Auflage seiner Geschichte von Paul III. bemerkt hatte, daß der Bericht des
antica I, II centro monumentale, Rom 1946, pp. 1—53, Literatur und eine Darstellung ohne wissenschaftliche Nachweise bei
F. Castagnoli, C. Cecchelli, G. Giovannoni, M. Zocca, Topografia e urbanistica di Roma (Istituto di Studi Romani: Storia di
Roma, vol. XXII), Bologna 1958.
3 Außer Rodocanachi und Siebenhüner besonders Th. Ashby-W. Dougill, The Capitol, Rome. Its History and Development,
in: The Town Planning Review 12, 1927, pp. 159-180, P. Pecchiai, II Campidoglio nel Cinquecento, Rom 1950, und von
K. Tolnai aus „Beiträge zu den späten architektonischen Projekten Michelangelos“ : Das Capitolium, im Jahrbuch der Preuß.
Kunstsammlungen 51, 1930, S. 22-29, aus „Zu den späten architektonischen Projekten Michelangelos II.“ : Zur Baugeschichte des
Kapitols, im selben Jb. d. Pr. Kunsts. 53, 1932, S. 239-247 und namentlich die Dokumente auf S. 249-253; s. S. Ackerman, zu
Siebenhüner, The Art Bulletin, 38, 1956, S. 53—57.
4 Obwohl die Anwesenheit des Bronzepferdes an dieser Stelle des Campo, des fortlebenden alten Waffenplatzes auf dem mons
Caelius, erst seit dem 10. Jh., dann aber ununterbrochen bezeugt wird, so kann seit der Entdeckung der castra nova unter der
Laterankirche kaum mehr ein Zweifel bestehen, daß dieses antike Bronzebildnis des Kaisers im Feldherrngewand seit jeher unge-
fähr von derselben Stelle aus das Übungsfeld der equites singuläres beherrschte. Vgl. A. M. Colini, Storia e topografia del Celio
neU’antichitä, conrilievi, piante e ricostruzioni di I. Gismondi (Atti della Pontificia Acc. Rom. d’arch., Ser. III, Memorie, vol. VII),
Rom 1944, pp. 314-377.
8 Statua equestre di Marco Aurelio, in: Miscellanea di scavi di antichitä, 2. Bd., Rom 1836, pp. 1-2.
6 II codice barberiniano XXX, 89 (jetzt in der Bibi. Vat. cod. Barberin. Lat. 2016), im Archivio della Societä Romana di Storia
Patria 6, 1883, p. 239, und Storia degli scavi di Roma, 2. Bd., Rom 1903, pp. 69-70.
7 Paul III. (1534-1549) (= Geschichte der Päpste, 5. Bd.), Freiburg 1909, S. 754ff.
 
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