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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0383

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Ein früher Entwurf des Pietro da Cortona für SS. Martina e Luca in Rom

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264. SS. Martina e Luca, Innenansicht

Ein Blick auf die zweite, für ihre Zeit höchst antiquierte Eigentümlichkeit des Münchner Risses verrät
uns sofort die Genesis. Um 1630 wirkt die Kuppel eines römischen Zentralbaus, die statt eines aus-
gebildeten, lichtdurchflossenen Tambours nur eine niedrige, attika-artige Eensterzone mit kleinen quer-
ovalen Öffnungen im Kuppelfuß besitzt, reichlich altertümlich. Die ausgeführten Bauten aus dem letzten
Menschenalter vor Cortonas Münchner Riß sind alle durch hohe, mit großen Fenstern durchsetzte
Tambours ausgezeichnet, von der Sixtinischen Kapelle bei Sta. Maria Maggiore (1589 fertig), über die
Cappella Paolina ebenda (1611 vollendet) und S. Carlo ai Catinari (ebenfalls 1611) bis zu S. Andrea della
Valle hin (1623 beendet). Die lastende, fast tragisch-gepreßt wirkende Kuppel der Münchner Zeichnung
stellt also einen Rückgriff Cortonas auf das ihm wohbekannte18 Kuppelmodell für S. Giovanni dei
Fiorentini dar.
Freilich bleiben die von Michelangelo entlehnten Ideen auf die Gestaltung der Kuppel beschränkt. Im
Untergeschoß hat Cortona anstatt der zwei niedrigen Säulenordnungen des Modells für S. Giovanni dei
Fiorentini nun Kolossalsäulen unter die Gebälke geschoben, wenn auch nur vor die zylindrisch gekrümm-
ten Wandstücke der Vierung. Indessen wird deren Rhythmus durch die vier Konchen des griechischen
Kreuzes von Pilastern gleicher Ordnung und Größe weitergeführt. Versucht man, sich einen solchen
Raum vorzustellen, so ist er bis in die Kapitellbildung, die Giebelformen über Türen und Fenstern und
bis in die Gestaltung der Felderrahmen hinein von der Formenwelt Madernos geprägt. Im Großen
gesehen, handelt es sich einfach um eine Übertragung der Struktur der Fassade von St. Peter auf einen
Innenraum. Für das Raumgefühl des eben beginnenden Hochbarock der Bernini- und Borromini-Zeit
wäre die Kirche des Münchner Entwurfs zu vollgestopft mit plastischen Schwellkörpern und engbrüstig

18 Hat doch Cortona selbst 1634 ein Holzmodell für den Hochaltar von S. Giovanni dei Fiorentini bauen lassen (am 1. Juli
aufgestellt). O. Pollak, Kunsttätigkeit, Regest 336ff.
 
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