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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0385

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Ein früher Entwurf des Pietro da Cortona für SS. Martina e Luca in Rom

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266. Gesimse. Ausschnitt aus dem Entwurf des Cortona für Fontana Trevi, Rom, Vaticana, cod. Chig. P VII 10
Es bedarf wohl keiner langen und umständlichen Beweisführung, um den Münchner Riß als eine eigen-
händige Zeichnung des Pietro da Cortona zu erweisen. Es handelt sich um eine ausgesprochene „Besteller-
zeichnung“, um keinen intimen Entwurf der Werkstatt, sondern um eine detailliert ausgeführte Zeich-
nung, welche einen Auftraggeber gewinnen und überzeugen sollte. Legt man neben diesen Riß aus der
Zeit um 1634 eine zweite, ein volles Menschenalter jüngere Bestellerzeichnung, einen Entwurf für die
Gestaltung der Fontana Trevi aus dem Pontifikat Alexanders VII., das Blatt cod. Chig. P VII 10,
fol. 11, und vergleicht etwa die Art, gerade und gebogene Gesimse und Profile mit der Feder freihändig
hinzuziehen, so wird selbst über einen Abstand von dreißig Jahren hin der Duktus derselben individuellen
Handschrift deutlich (vgl. Abb. 265 mit Abb. 266).
Versuchen wir nun, die Münchner Zeichnung historisch einzuordnen. Der junge, 1596 geborene Cortonese
hatte es schwer, in der Ewigen Stadt Fuß zu fassen, als er 1613, ein junger Bursch noch, dorthin über-
siedelte. Er besaß nicht wie G. L. Bernini, Carlo Rainaldi oder Martino Lunghi d. J. einen Vater, der
als Bildhauer oder Architekt in Rom Rang und Namen besessen und der den Sohn leicht und spielend
in die Kreise der römischen Bauherren und Mäzene eingeführt hätte. Er stammte auch nicht aus einer
Steinmetzen- oder Maurerfamilie vom Luganer oder Corner See, und so erwartete ihn nicht wie Maderno
oder Borromini in Rom ein Onkel, Vetter oder Schwager, der als Architekt, Maurermeister oder Parlier
dem jungen Verwandten den Aufstieg aus dem Handwerk ins freie Künstlertum ermöglicht hätte.
Überhaupt fing Cortona als Maler an, und als solcher hat er sich seine Mäzene suchen müssen, die er in
einem Bruderpaar, dem Marchese Marcello und dem Kardinal Giulio Sacchetti, fand. Für diese Gönner
schuf Cortona sein erstes architektonisches Werk, das suburbane Casino del Pigneto in Rom, das heute
vom Erdboden verschwunden ist, aber schon im Seicento unvollendet liegen blieb, wie wir aus unver-
öffentlichten Veduten im Besitz der Albertina in Wien bündig beweisen können. Der Bau ist als freie
Variante des Nicchione des Vatikanischen Belvedere zu verstehen23.
Ist mit diesem Erstlingsbau Cortona also bereits tief eingetaucht in die römische Tradition von Bramante
und Michelangelo her, so muß gleichwohl vermutet werden, daß dadurch die frühesten Jugendeindrücke,
die der Meister vom Studium der Bauten der Florentiner Manieristen, besonders des Buontalenti,
empfing, nur überdeckt wurden. Als der reife Künstler 1637 in Florenz weilte, um die camera della stufa
im Palazzo Pitti auszumalen, wird er diese Jugendeindrücke erneuert und vertieft haben. Jedenfalls
verdanken etwa die Einzelformen von Tambour und Kuppel von SS. Martina e Luca der Fassade
Buontalentis von SS. Trinitä in Florenz viel.
Aber der frühe Entwurf für diesen ersten römischen Sakralbau steht noch ganz in der römischen Umwelt.
Cortona muß jung durch seine Malerei zu großem finanziellem Wohlstand gelangt sein, wenn er schon
als Achtunddreißigjähriger daran denken konnte, die relativ große Unterkirche dieses Baus sich als
Begräbnisstätte auszubitten und zu deren Um- und Ausbau sich zu erbieten24. Für die Oberkirche freilich
mußte der Meister sich nach zahlungskräftigeren Mäzenen umsehen. Durch den Kardinal Sacchetti war
Cortona schon unmittelbar nach der Thronbesteigung Papst Urbans VIII. beim Kardinal Francesco
Barberini eingeführt worden, und dem Hause Barberini verdankte er seinen ersten großen Fresken-
auftrag in Rom, die Ausmalung der linken Oberschiffswand in Sta. Bibiana (1624). Seither gehört der
Cortonese zu den Hofkünstlern der Barberini. Nichts konnte daher für ihn näherliegen als der Versuch,

23 Dagobert Frey, Michelangelo-Studien, p. 35 mit Abb. 11.
24 Die Regesten bei O. Pollak, Die Kunsttätigkeit unter Urban VIII., I, Regest 642ff.
 
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