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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0436

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432

Karl Noehles

durchweg straffer und disziplinierter; kräftiger Druck der Feder oder auch mehrfaches schnelles Entlang-
fahren des Strichs an der Schattenseite des Objekts verleihen den Dingen auch schon in der ersten
Niederschrift eines kompositionellen Einfalls Plastizität und bestimmen deren räumliche Position im
Bildgefüge. Dagegen verläuft der Strich Ferris kurvenreicher, willkürlicher und weicher, vor allem
begnügt er sich mehr mit der Fixierung der Flächenkomposition. Der Grund hierfür ist wohl in erster
Linie in der eklektischen Arbeitsmethode Ferris zu sehen. Der Schüler begreift die Form des Vorbildes
primär in ihren Flächenwerten, ihren plastisch-tiefenräumlichen Charakter weiß er sich jedoch nur sehr
bedingt anzueignen.
In einem Blatt in Windsor Castle (Abb. 307) ist uns die detaillierte Ausführung der Federskizze der
Corsiniana in der Reinzeichnung erhalten21. In dieser Form könnte der Entwurf der Kongregation der
Filippiner zur Begutachtung vorgelegen haben22. Über dem glatten Sockel (ohne Angabe einer Basis)
ist der Tabernakelaufsatz mit Akanthus dicht umwuchert. Das Medaillon füllt eine Pelikandarstellung.
Das Lamm auf der Plattform ist durch Kelch und Hostie ersetzt23. Diesen wenden sich der rechte Engel
und die Putten in der Höhe mit dem Ausdruck des Entzückens und der Verehrung zu; der linke Engel-
knabe dagegen scheint seinen Blick auf das Pelikanmedaillon zu richten. So wird das Sakrament in
beiden Gestalten verehrt24. Die gleitende Bewegung der Ovalkomposition ist durch eine leichte Betonung
der vertikalen und horizontalen Achsen vor allzu großer Labilität bewahrt. Die gleichmäßige symmetrische
Komposition soll durch Variationen der Engel in Haltung und Gebärden bereichert werden; doch
bleiben diese allzu akademisch-konventionell, um zu lebendiger Wirkung zu kommen.
Auch diese Zeichnung verdankt fast alles dem Lehrer Cortona: die Engeltypen, die Kopfform, die locke-
ren Frisuren, das Gebärdenspiel und den Wurf der Drapierungen. Ebenso ist die nach unten durch den
schwellenden Akanthus sich bauchig verdickende Gestalt des Tabernakelaufsatzes eine typische Cortona-
Form. Schließlich ist auch die fließende Abfolge von Hell-Dunkel-Werten, die die plastischen Massen
wolkenartig ineinander übergehen läßt, stilistisches Erbe des Malers und Zeichners Cortona. Alles
nur irgend Erlernbare der Zeichenkunst des großen Vorbildes hat sich Ferri zu eigen gemacht. Doch sein
Aneignungstrieb steht in reziprokem Verhältnis zu seiner schöpferischen Begabung. Jeder Vergleich
mit einem Blatt Cortonas wird das zu erkennen geben.
Schon mit Rücksicht auf die allgemeine Unsicherheit auf dem Gebiet der Handzeichnungskritik im Be-
reich von Cortona und Ciro Ferri empfiehlt es sich, der Tabernakelzeichnung ein vergleichbares Blatt
des Lehrers gegenüberzustellen. Wir wählen eine Vorzeichnung zu dem Schutzengelbild von 1656 aus,
die in Windsor leicht mit dem Original zu konfrontieren ist25 (Abb. 309). Der linke Engel des Tabernakel-
blattes und der schwebende Schutzengel sind in der allgemeinen Haltung verwandt; beide sind nahezu
gleich groß, für beide ist ein weicher Stift benutzt. In dem einen wie dem anderen Falle handelt es sich
um eine Reinzeichnung. Freilich sind Aufgabe und Thema verschieden und bedingen andere Komposition
und Ausdruckswerte; doch der Duktus der Linie, der individuelle Charakter des graphischen Stils ist
gut zu vergleichen. Leider müssen wir uns hier eine eingehende Analyse der beiden Zeichnungen ver-
sagen, so wünschenswert und lohnend sie auch sein mag. Wir beschränken uns auf wenige knappe Hin-
weise und stellen dem Betrachter den Vergleich im einzelnen anheim. Die Figur Cortonas zeichnet sich
vor allem durch raumschaffende Plastizität aus, die nicht allein Ergebnis der kräftig modellierenden
Hell-Dunkel-Kontraste ist, sondern ebensosehr durch die Umrißlinie mitbestimmt wird, durch deren
An- und Abschwellen, ihr gelegentliches Aussetzen, ihre Freizügigkeit. Nirgends findet sich die kleinliche
Sorgfalt, mit der sie bei Ciro der plastischen Gestalt nachfährt, gleichmäßig, schönlinig, immer bemüht,
21 Windsor Nr. 4482, 351 x 258 mm, montiert, schwarzer Stift. Zugeschrieben: Ferri?
22 Doch kann es sich auch um eine eigenhändige Wiederholung eines verlorenen Blattes für den Stich handeln. Ein Druck des
Blattes ist mir jedoch nicht bekannt.
23 Daß die Hostie über dem Kelch in dieser Weise nicht plastisch hätte dargestellt werden können, sondern daß an eine Monstranz
für die Ausstellung des Sakraments zu denken ist, spricht für die Vermutung, daß das Blatt als Stichvorlage oder doch als selb-
ständige Zeichnung ausgeführt wurde.
24 Für die ikonographischen Vorstellungen der Zeit besonders bemerkenswert: in der Hostie wird der Leib Christi (realiter vor-
handen) und im Pelikan, der mit seinem Blut seine Jungen nährt, Christi Blut (nur bildlich vergegenwärtigt) verehrt.
25 Windsor Nr. 4519, 263 x 184 mm, montiert, schwarzer Stift. Bisher unbekannte Vorzeichnung zu dem Bild der Galleria Corsini
in Rom; Lit.: Katalog der Mostra di Pietro da Cortona, Roma 1956, Nr. 42. Cortona zugeschrieben.
 
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