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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0470

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Rudolf Wittkower

Bildhauer seiner Zeit machte. Ich möchte wenigstens einige solche bisher unbeachtete Werke erwähnen,
die als Folie für das Reiterstandbild dienen mögen.
Von dem Modell der voll bezeichneten und 1716 datierten Endymion-Bronze, die sich früher im Besitz
von L. Ritter von Przybyslowski in Lemberg befand8, existiert auch eine ansprechende Marmoraus-
führung (Abb. 330), deren Photographie mir Roberto Longhi vor Jahren gab. Die Behandlung des
Marmors läßt keinen Zweifel an der Eigenhändigkeit der Arbeit aufkommen. Die Bronze war ursprüng-
lich in der Sammlung des Francesco Gabburri, der auch das Terrakottamodell zum Endymion besaß9.
Dieses wird im Inventar der Sammlung zusammen mit einer Moses-Terrakotta erwähnt. Ich glaube,
dieses Modell in einem Bozzetto des Victoria and Albert Museum wiedergefunden zu haben, der stilistisch
ohne weiteres Cornacchini zugeschrieben werden darf (Abb. 331)10. Andere bisher unbeachtete Bozzetti
des Cornacchini befinden sich in der Domopera in Orvieto (Abb. 332). Sie sind geistvolle Modelle zu den
beiden Erzengeln aus Marmor, die im Jahre 1729 in der Kapelle des linken Querschiffs im Dom auf-
gestellt wurden11.
Über die Anfänge des großen Auftrags für die Vorhalle von St. Peter berichtet die „Relazione“ wie folgt:
Clemens XI. faßte den Beschluß, dem Konstantin einen Karl den Großen gegenüberzustellen, so daß
man im Vestibül von St. Peter „pronti alla custodia e difesa della Chiesa Cattolica due grandi, magnanimi,
ed invittissimi Imperatori“ sehen werde. Hier klingen solche Bezeichnungen wie „devotus sanctae
ecclesiae defensor atque adiutor in omnibus“ nach, die Karl sich selbst zugelegt hatte12, genau so wie
seine Rolle als Schwert und Schild der Kirche in der Inschrift ,,Carolus Magnus Ro. Ecclesiae ensis
clypeusque“ unter der dogmatisch wichtigen Kaiserkrönung der Stanza dellTncendio zum Ausdruck
kam. So finden sich an den Enden der Vorhalle in Ludwig von Pastors Worten „die ersten beiden großen
Schirmherrn der Weltkirche, der Begründer des oströmischen und der Schöpfer des weströmischen Rei-
ches, die Ehrenwache halten am Grabe des Fischers vom See Genezareth“13. Es muß auch betont werden,
daß die Zeitgenossen sich genau bewußt waren, mit dieser Gegenüberstellung im Sinn einer altehrwür-
digen, auf Karl den Großen selbst zurückgehenden Tradition zu handeln. Das aus der Lebenszeit Karls
des Großen stammende Mosaik im Triclinium Leos III., das nur in der unter Benedikt XIV. zwischen
1736 und 1744 angefertigten Kopie in der freistehenden Tribuna der Cappella Sancta Sanctorum auf
uns gekommen ist, zeigte eine der Karlseite entsprechende Gruppe mit dem Kaiser Konstantin. Auf
dieses Mosaik griff man zurück, wie Ottonis Stuckreliefs an der Wölbung über dem Monument Karls
des Großen beweisen14.
Wie so oft mögen für die Erteilung des Auftrags religiös-politische Tagesereignisse weitgehend mit-
bestimmend gewesen sein. Die französischen Könige wurden immer als die rechtmäßigen Nachfolger
Karls des Großen betrachtet, und dies ist der Grund, warum in der Stanza dellTncendio Franz I. von
Frankreich in der Rolle des großen Kaisers erscheinen konnte. Auch Ludwig XIV., der „Rex Christianis-
simus“, muß als ein Karl der Große redivivus betrachtet werden. Aber Rom hatte kaum Veranlassung,
Ludwig im Bilde Karls des Großen zu verherrlichen. Denn der König bestand auf den Freiheiten der
gallikanischen Kirche, und durch das sogenannte Regalienrecht15, das sich in der Tat von Karl dem
Großen herleiten ließ, brachte er mit einem Schlag den gesamten französischen Klerus in seine Gewalt.
8 Bezeichnet: AGOSTINO CORNACHINI F. A. 1716; siehe Braun in Kunst und Kunsthandwerk X, 1907, p. 535. Diese Bronze
darf mit Sicherheit mit derjenigen identifiziert werden, die in Anm. 6 als im Besitz des Francesco Gabburri erwähnt wird. Im
Inventar der Sammlung Gabburri von 1722 wird die Endymion-Bronze ausdrücklich genannt; siehe G. Campori, Raccolta di
cataloghi ed inventarii. Modena 1870, p. 596.
9 Ibid.: „Due modelli di terra cotta, cioe lo stesso Endimione e Mose, del md.mo . . .“
10 Es braucht nur auf die Ähnlichkeit des Bozzettos mit der monumentalen Elias-Statue von 1727 im Chor von St. Peter hin-
gewiesen zu werden. Der Typus des Putto ist so charakteristisch, daß er fast einer Signatur Cornacchinis gleichkommt.
11 L. Fumi, II Duomo di Orvieto. Roma 1891, p. 319. Einen dieser Erzengel habe ich in: Art and Architecture in Italy 1600 to
1750, 1958, Tf. 160B publiziert.
12 Percy E. Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio. Darmstadt 1957, p. 143.
13 L. v. Pastor, Geschichte der Päpste. Freiburg 1929, XIV1, p. 509.
14 Zum Lateranmosaik vor allem Percy E. Schramm, Die zeitgenössischen Bildnisse Karls des Großen. Leipzig-Berlin 1928,
p. 4ff.; siehe auch R. Krautheimer in: Art Bulletin XXIV, 1942, p. 36. Zu Ottonis Stuckreliefs vgl. G. P. Chattard, Nuova
descrizione del Vaticano. Roma 1762, I, p. 29: ,,si esprime da una parte il Pontefice Leone III, ehe riceve le chiavi della Potestä
Pontificia da S. Pietro, dall’altra parte il detto Apostolo, ehe consegna lo Stendardo a Carlo Magno . . .“
15 Pastor, op. cit., XIV1, p. 256ff., XIV2, p. 841ff. und passim.
 
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