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Bibliotheca Hertziana [Hrsg.]; Bruhns, Leo [Gefeierte Pers.]; Wolff Metternich, Franz [Gefeierte Pers.]; Schudt, Ludwig [Gefeierte Pers.]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0500

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496

Gerhard Bott

Bild. Das Bild will den Augenblick festhalten, das Zufällige der Gruppierung, die Bewegung des bäuer-
lichen Wagens, der bald wieder aus dem Bildausschnitt verschwinden wird. Fast impressionistisch gibt
der Künstler dies Geschehen wieder, der skizzenhafte Strich verstärkt diesen Eindruck. - Eine ähnliche
Gesellschaft war Gegenstand einer zweiten Zeichnung34 {Abb. 368). Wieder ist das Motiv des ungezwun-
genen Lagerns das Thema der Darstellung. Diesmal ist die umgebende Natur noch mehr als Ausschnitt
gesehen. Der Künstler ist weit davon entfernt, Gruppe und Landschaft einem Kompositionsschema
unterzuordnen. So wie er die Menschen in der Landschaft gesehen hat, bannt er sie mit wenigen Strichen
auf sein Blatt.
Mit diesen Skizzen hat Schütz sich aus der Tradition der von seinem Vater in Frankfurt begründeten
lokalen Atelier-Landschaftsmalerei losgelöst; er ist damit in die Reihe der Künstler des 18. Jahrhunderts
vorgestoßen, die, vor der neuen Landschaftskunst des 19. Jahrhunderts, gleichsam für sich allein die
Natur eroberten, eine Natur, wie sie sich ihnen überall ohne Einengung in den Zwang eines traditionellen
Bildaufbaus bot.
Leider hat Schütz in seiner Darstellung der Ausflugsgesellschaft in Tivoli diesen so hoffnungsvoll begon-
nenen Weg verlassen und die Möglichkeiten, die in ihm verborgen waren, nicht voll ausgenützt. So ist
das Tivoli-Aquarell ein gebautes Bild geworden; ohne Beziehung zur Natur sitzen die Personen in dem
sie umgebenden Park, eine allegorische Figur und die antiken Architekturreste belasten die Zeichnung
mit unnötigem Inhalt. Nur in der Vorzeichnung zu dem Aquarell spüren wir noch etwas von der frischen
und ursprünglichen Auffassungsgabe des Johann Georg Schütz, die er in den Frankfurter Aquarellen
überzeugend vorstellt.
Schütz hat mit seiner Darstellung der Ausflugsgesellschaft in Tivoli kein für die damalige Zeit außer-
gewöhnliches Thema aufgegriffen. Besonders reizvoll ist der Vergleich mit zwei Bildern, auf denen wir
einen Teil der Personen des Tivoli-Aquarells wiederfinden. Angelika, Kauffmann malte 1787 eine Ölskizze
mit ihren römischen Freunden in Castel Gandolfo. Die Malerin sitzt im griechischen Gewand in einem
Sessel, vor ihr steht Maddalena Riggi mit ihrem Bräutigam. Der galante Hofrat Reiffenstein zeigt der
schönen Mailänderin, deren Liebreiz sich auch Goethe nicht entziehen konnte, ein Buch35. Den Tiefurter
Abendkreis der Herzogin Anna Amalia bewahrte uns Georg Melchior Kraus in einem um 1795 ent-
standenen Aquarell. Die Herzogin sitzt in der Mitte des Bildes am Tisch und malt, Herder und Ein-
siedel haben sich zu ihr gesellt, das Fräulein von Göchhausen stickt. Auch Goethe hat an der Tafel Platz
genommen, um die noch Eliza und Emilia Gore, deren Vater Charles Gore, Frau von Fritsch, geborene
von Wolfskehl, und Johann Heinrich Meyer versammelt sind36.
In der Bibliotheca Hertziana in Rom wird ein Aquarell aufbewahrt, das die gleiche Gesellschaft um die
Herzogin Anna Amalia im Park der Villa d’Este zeigt. Das Blatt ist dem Tiefurter Original zum Ver-
wechseln ähnlich37. Die Zeichnung befindet sich schon seit dreiundsechzig Jahren im Palazzo Zuccari:
1896 kam sie in den Besitz von Frida Mond, der engsten Freundin der Gründerin der Bibliothek (zu
Beginn der Neunzigerjahre war Frida Mond mit ihrem Gatten, dem Chemiker Dr. Ludwig Mond, zu
Henriette Hertz in den Palazzo an der Via Sistina gezogen38). Auf der Rückseite des Aquarells sind der
dargestellte Ort und ein Hinweis auf die gezeigten Personen angegeben: ,,S. A. la Signora Duchessa di
Saxe-Weimar con la sua compagnia nella villa d’Este a Tivoli.“ Daneben findet sich Angelika Kauffmann
als Zeichnerin des Blattes angegeben. Die Künstler-Signatur „Angelica Kauffmann disegn. fece.“ ist
84 C 5913, bez.: ,,Johann Georg Schütz 1783“; Feder, farbig laviert (H. 22,4 cm; Br. 34,5 cm). Auf Vorder- und Rückseite noch
mehrere andere farbige Skizzen. Auf Rückseite oben steht: ,, Suchen Sie sich die Beste davon heraus.“
35 Abbildung bei: Eduard Engels, Angelika Kauffmann, Bielefeld und Leipzig 1903. Über die Beziehungen der Maddalena Riggi
zu Goethe, dort S. 117 ff. Das Bild wird im Landesmuseum in Bregenz auf bewahrt.
36 Georg Melchior Kraus hat schon vor 1780 eine Abendgesellschaft bei dem Herzog Karl August in einer einfachen Pinselzeich-
nung dargestellt. Abbildung bei: Eberhard Freiherr Schenk zu Schweinsberg, Georg Melchior Kraus, Weimar 1930, Abb. 3. -
Das gesellige Zusammensein bei der Herzogin Anna Amalia in Schloß Tiefurt ist u. a. abgebildet in: Goethe und seine Welt, hrsg.
von Hans Wahl und Anton Kippenberg, Leipzig 1932, S. 135. In: Weimars Genius, Eine Festgabe in Lebensbildern von G. Treu-
mund, Weimar 1857, ist das Bild auf S. 14 in Gedichtform ausführlich beschrieben.
37 H. 58 cm; Br. 72 cm. Auf einer Fotografie aus dem Jahre 1901 steht die Herkunft des Blattes aus dem Besitz von Frida Mond
verzeichnet. Dabei findet sich ein Hinweis auf das Tiefurter Bild: ,,. . . ein Bild in Oelfarben v. Ang. Kauffm. gleichen Sujets
befindet sich im Lustschloß Tiefurt bei Weimar“.
38 Werner Körte, Der Palazzo Zuccari in Rom, a. a. O., S. 63f.
 
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