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III. Der König und seine Bischöfe
vorliegen258. Eine solche Mahnung war üblicherweise der erste Schritt eines
mehrstufigen Verfahrens. Vielleicht hat Wenilo sich bußfertig gezeigt, doch uns
liegen darüber keine bischöflichen Aussagen vor. Hinkmar von Reims hat sein
späteres Leitmedium, die Annales Bertiniani, noch nicht übernommen, und
Prudentius von Troyes vermerkt, dass der König sich ohne audientia der Bischöfe
mit Wenilo versöhnt habe. Es handelt sich vermutlich um eine Kritik am kö-
niglichen Verhalten. Aber ist daraus auch abzuleiten, dass der Fall ohne Ver-
mittlung von Bischöfen zu Ende gebracht wurde? Ein Brief Herards von Tours an
Wenilo von Sens, in Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen ihn verfasst,
widerspricht dieser Deutung und weist auf eine Vermittlung des Amtsbruders in
diesem Konflikt hin259. Herard verfasste ein Mahnschreiben an Wenilo, in wel-
chem er sich auf das Synodalschreiben und eine Vorladung Wenilos bezieht.
Herard ermahnt Wenilo, dass er die aufrichtige Sorge der Synode über sein
Verhalten nicht herabsetzen, sondern vielmehr selbst dafür Sorge tragen solle,
dass nicht der ganz Bischofsstand mit dem Makel der Schande belastet werde:
„Ihr solltet Euch auf den Rat der Weisen hin darum kümmern, dass Ihr nicht
Euch und unserem ganzen Stand das Zeichen der Schande voraustragt"260.
Herard fährt fort: Wenilo solle sich fleißig darum bemühen, die Vorwürfe gegen
ihn zu entkräften. Herard führt Wenilo die Verantwortung, die mit dem Amt
eines Bischofs einhergeht, mit einem Zitat aus den Paulusbriefen vor Augen: „Er
[= der Bischof] muss ehrenvoll anerkannt werden von denen, die außen sind" (1.
Tim. 3,7). Ein Bischof muss laut Herard einen untadeligen Ruf haben, um von
allen, über denen er als moralische Instanz steht, anerkannt zu werden. Diesen
Ruf hat Wenilo aufs Spiel gesetzt — und zwar nicht nur für sich persönlich,
sondern für alle Bischöfe. Daher muss er sich darum bemühen, die herrliche
Gnade des Königs wieder für sich und seine ganze Herde zu gewinnen, indem er
Genugtuung leistet und demütig die Milde seiner [= des Königs] Freundlichkeit
anstrebt. Herard drängt Wenilo mahnend und bittet ihn aus Nächstenliebe (ca-
ritate) inständig darum, seine Ratschläge zu beherzigen261.
Diese Worte Herards von Tours machen mehr als deutlich, dass es für die
Bischöfe um einen Konflikt fundamentalen Ausmaßes ging, von dem ihr ganzer
Stand betroffen war. Sie haben die Worte Karls, der die Vergehen Wenilos in
seiner Anklageschrift in direkten Kontrast zur Autorität seines Bischofsstandes
setzte (Bischöfe als Throne Gottes) als Warnung an sie alle interpretiert. Wie der
Konflikt konkret gelöst worden ist, muss weiter offen bleiben. Es gab jedoch
258 Vgl. neben dem Synodalschreiben auch das nicht auf Synode abgefasste jedoch in direktem
Zusammenhang stehende Mahnschreiben Bischof Herards von Tours, MGH Cone. III, Nr. 47 D,
S. 427f.
259 Zu Vermittlung: Jegou, L'Eveque, S. 150 schreibt, dass Wenilo bewusst nicht auf der Synode von
Savonnieres erschienen sei, um sich nicht dem bischöflichen Urteilsspruch zu unterwerfen und
humilitas zeigen zu müssen. Vielmehr habe er eine „außergerichtliche" Konfliktbeilegung er-
reichen wollen.
260 Sano quoque et sapienti consilio procuretis, ne vobis et omni nostro ordini infamiae notam praetendatis.
MGH Cone. III, S. 473,8-10.
261 Ebd., S. 473,16-21.
III. Der König und seine Bischöfe
vorliegen258. Eine solche Mahnung war üblicherweise der erste Schritt eines
mehrstufigen Verfahrens. Vielleicht hat Wenilo sich bußfertig gezeigt, doch uns
liegen darüber keine bischöflichen Aussagen vor. Hinkmar von Reims hat sein
späteres Leitmedium, die Annales Bertiniani, noch nicht übernommen, und
Prudentius von Troyes vermerkt, dass der König sich ohne audientia der Bischöfe
mit Wenilo versöhnt habe. Es handelt sich vermutlich um eine Kritik am kö-
niglichen Verhalten. Aber ist daraus auch abzuleiten, dass der Fall ohne Ver-
mittlung von Bischöfen zu Ende gebracht wurde? Ein Brief Herards von Tours an
Wenilo von Sens, in Zusammenhang mit den Vorwürfen gegen ihn verfasst,
widerspricht dieser Deutung und weist auf eine Vermittlung des Amtsbruders in
diesem Konflikt hin259. Herard verfasste ein Mahnschreiben an Wenilo, in wel-
chem er sich auf das Synodalschreiben und eine Vorladung Wenilos bezieht.
Herard ermahnt Wenilo, dass er die aufrichtige Sorge der Synode über sein
Verhalten nicht herabsetzen, sondern vielmehr selbst dafür Sorge tragen solle,
dass nicht der ganz Bischofsstand mit dem Makel der Schande belastet werde:
„Ihr solltet Euch auf den Rat der Weisen hin darum kümmern, dass Ihr nicht
Euch und unserem ganzen Stand das Zeichen der Schande voraustragt"260.
Herard fährt fort: Wenilo solle sich fleißig darum bemühen, die Vorwürfe gegen
ihn zu entkräften. Herard führt Wenilo die Verantwortung, die mit dem Amt
eines Bischofs einhergeht, mit einem Zitat aus den Paulusbriefen vor Augen: „Er
[= der Bischof] muss ehrenvoll anerkannt werden von denen, die außen sind" (1.
Tim. 3,7). Ein Bischof muss laut Herard einen untadeligen Ruf haben, um von
allen, über denen er als moralische Instanz steht, anerkannt zu werden. Diesen
Ruf hat Wenilo aufs Spiel gesetzt — und zwar nicht nur für sich persönlich,
sondern für alle Bischöfe. Daher muss er sich darum bemühen, die herrliche
Gnade des Königs wieder für sich und seine ganze Herde zu gewinnen, indem er
Genugtuung leistet und demütig die Milde seiner [= des Königs] Freundlichkeit
anstrebt. Herard drängt Wenilo mahnend und bittet ihn aus Nächstenliebe (ca-
ritate) inständig darum, seine Ratschläge zu beherzigen261.
Diese Worte Herards von Tours machen mehr als deutlich, dass es für die
Bischöfe um einen Konflikt fundamentalen Ausmaßes ging, von dem ihr ganzer
Stand betroffen war. Sie haben die Worte Karls, der die Vergehen Wenilos in
seiner Anklageschrift in direkten Kontrast zur Autorität seines Bischofsstandes
setzte (Bischöfe als Throne Gottes) als Warnung an sie alle interpretiert. Wie der
Konflikt konkret gelöst worden ist, muss weiter offen bleiben. Es gab jedoch
258 Vgl. neben dem Synodalschreiben auch das nicht auf Synode abgefasste jedoch in direktem
Zusammenhang stehende Mahnschreiben Bischof Herards von Tours, MGH Cone. III, Nr. 47 D,
S. 427f.
259 Zu Vermittlung: Jegou, L'Eveque, S. 150 schreibt, dass Wenilo bewusst nicht auf der Synode von
Savonnieres erschienen sei, um sich nicht dem bischöflichen Urteilsspruch zu unterwerfen und
humilitas zeigen zu müssen. Vielmehr habe er eine „außergerichtliche" Konfliktbeilegung er-
reichen wollen.
260 Sano quoque et sapienti consilio procuretis, ne vobis et omni nostro ordini infamiae notam praetendatis.
MGH Cone. III, S. 473,8-10.
261 Ebd., S. 473,16-21.