Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0197
License: Creative Commons - Attribution - ShareAlike

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
196

VII. Bischofsabsetzungen bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts

Archidiakons unserer Stadt bis zu dieser Zeit innehatte, zum Vorsteher eben-
dieses Bischofssitzes. Als er zum pontifex gewählt worden ist, erhob er das
Schwert gegen die Verwandten seines Vorgängers, da er aber nicht die Kraft
hatte, sie selbst von diesem Ort zu vertreiben, erbat er nach begonnener Beratung
mit einigen Laien, bei denen es sich um seine Ratgeber handelte, eine Amicitia mit
dem Grafen Heribert. Diese wurde gegen das Versprechen der Ratgeber ge-
währt, dass die Ritter der Kirche sich ohne Rat des Heriberts nicht der Wahl eines
neuen Bischofs nähern. Derselbe Graf aber entfernte den Bruder und den Neffen
des Bischofs Heriveus aus der Inanspruchnahme von Gütern des Reimser Bis-
tums"813.
Heribert habe laut Artold König Rudolf versprochen, das Bistum gut zu
verwalten, dafür zu sorgen, dass keine Ungerechtigkeit ausgeübt wird, sondern
dass der Raum des Bistums (episcopium) gerecht gelenkt wird (gubernare814).
Daher habe er versprochen, einen Kleriker zu präsentieren, der würdig ist, auf
rechte Art und Weise das Bischofsamt auszuüben (episcopale ministerium exe-
quendum rite ordinari valeat). Als der Graf aber in die Stadt zurückgekehrt sei,
habe er die Güter des Bistums (res episcopii) unter seinen Anhängern verteilt, wie
es ihm gefiel. Artold führt diesen Umgang mit dem Kirchengut weiter aus; „ei-
nige verschleuderte er und nach seinem Willen raubte er Güter ohne Gerichts-
spruch oder Gesetz (absque ullo iuditio vel lege) oder brachte sie von der Stadt
fort815".
Seine eigene Wahl stellt Artold folgendermaßen dar: Der König habe Klerus und
Volk zur Bischofswahl ermahnt, die so Gelegenheit hätten zur Ehre Gottes und
zu seiner Treue zu handeln (dans eis id agendi facultatem ad dei honorem et suam
fidelitatem816).
Artold wurde nach eigener Darstellung kanonisch von Klerikern und Laien
gewählt, von den bei der Wahl anwesenden 18 Bischöfen geweiht und danach
von Bischöfen seiner Diözese inthronisiert. Er habe das bischöfliche ministerium
für fast neun Jahre ausgeübt und währenddessen in der Diözese acht Bischöfe
und im Bistum viele, wie es scheint geeignete Kleriker geweiht. Ganz deutlich
wird hier wiederum die Argumentation mit der Weihe. Unbestreitbar war, dass
Artold gut neun Jahre vor Hugo geweiht worden war. Artold musste seine
Absetzung als unrechtmäßig darstellen, um mit dieser Argumentation erfolg-
reich sein zu können. Artold versäumte es auch nicht, auf die von ihm gespen-

813 Flodoard, Historia Remensis Ecclesiae IV, c. 35, S. 429. Seulf sei angeblich von Verwandten des
Heriveus vergiftet worden.

814 Laut Patzold, Episcopus, S.490f. ist der Begriff gubernare in den Bischofsviten des 9.Jahrhunderts
Ausdruck für die Auffassung des Bischofs als Hirten. Die Begriffe regere und gubernare machten
dabei das für die Karolingerzeit typische ambivalente Verständnis des Hirtenamtes deutlich — als
ein Amt der Machtfülle und der Verantwortungsfülle, das Leitungsposition, Würde ebenso wie
Pflicht und Last mit sich bringt (s. dazu auch die Argumentation der Bischöfe bei der Exkom-
munikation Hugo Magnus' bei Richer).

815 Flodoard, Historia Remensis, IV,35, S. 429, 19-21.

816 Flodoard, Historia Remensis, IV,35, S. 430, 3-4 (Libellus Artoldi).
 
Annotationen