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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0229
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228

VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims

offenbar in Anklang an karolingische Konzilien und besonders an Hinkmar von
Reims948. Er selbst sei der Urheber, er selbst Ausführer und Unterstützer, ein
Nutznießer, der sich von seinem Verrat spätere Vorteile erhofft hatte. Der Eid-
bruch ist also laut den Synodalen und ihren Aussagen, wie sie uns in Gerberts
Worten entgegentreten, nicht nur als Verrat am König, sondern als Verrat am
Bischofsamt zu verstehen. Wer öffentlich sündige, büße auch öffentlich949. Das
konkrete Vergehen wird in diesem Schriftstück nicht genannt. Das was Arnulf
getan hat, wird als Sünde qualifiziert — nicht als Hochverrat. Auch wenn sein
Verhalten nicht den gesamten Bischofsstand beschädigen darf, muss für ihn als
Bischof ein anderer Maßstab gelten als für Laien. Das heißt als Sünder muss er
durch Buße eine Chance auf Rekonziliation erhalten. Um diesen für sie zentralen
Aspekt der Verfahrensführung durchzusetzen, drängten die Bischöfe erfolgreich
darauf, dass Arnulf nicht mit der Todesstrafe bedroht wurde.
Arnulfs Praktiken im Prozess, insbesondere sein Treueid als auch seine Re-
signation, vereinen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Materialität und Perfor-
manz. Die Eide als auch die Formel der Selb stverfluchung wurden ausgespro-
chen, schriftlich fixiert, wurden vorgelesen und vorgezeigt. Sie spielten nicht nur
aufgrund ihres Inhalts, sondern vor allem als Objekte eine bedeutende Rolle im
Prozess. Sie sind zudem durch ihre Intertextualtiät miteinander verbunden. Der
Eid verweist mit der Inserierung des Fluchpsalms auf das Remigiustestament,
ein Schlüsseldokument aus dem Reimser Archiv, und die Resignation greift
ebenfalls auf Archivmaterial zurück, nämlich auf den Libellus des unglücklichen
Reimser Erzbischofs Ebo. Die Benutzung von Archivmaterial zur Durchführung
des Prozesses erscheint als ein Hauptmerkmal des Absetzungsfalls. Besondere
Bedeutung kommt dabei der Kirchengeschichte Flodoards zu, da sich darin das
Material bereits in einer — von Flodoard als sinnvoll eingeschätzten — chronolo-
gischen Reihenfolge finden lässt. Dieser Fall ist außerordentlich gut dokumen-
tiert. Das von Gerbert gewählte Vorgehen war nur möglich, da in Reims ent-
sprechendes Material im Archiv vorhanden war.
Für Gerbert ging es also um einen Bischof, der Verrat begangen hatte. Arnulf
wird von ihm und von seinen Mitbischöfen in Briefen und in den Synodalakten
als ,Judas' bezeichnet. Bei Gerbert hat Judas jedoch eine spezifische bischöfliche
Bedeutung: Judas begeht einen Verrat an seinem König und Judas veruntreut die
Kasse der Apostel. Diese Stilisierung Arnulfs speist sich aus bischöflichen Wis-
sensbeständen. Ist dieses Wissen auch in anderen Textgattungen zu finden?

948 Ebd. c. 13.

949 Ebd. c. 15, S. 406,11.
 
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