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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Mitarb.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0234
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6. Gerberts Konzept der bischöflichen Amtsgewalt

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hier wird Hinkmar wieder als Autorität verwendet, Gerbert erwähnt ihn
mehrfach namentlich und zitiert vor allem aus dem 55-Kapitelwerk und aus
Schriften aus dem Umfeld des Streits zwischen den beiden Hinkmaren970.
In der Narratio gibt Gerbert eine Zusammenfassung der bisherigen Ereig-
nisse aus seiner Sicht. Der Bericht beinhaltet den Treueid, Arnulfs Rolle bei der
Eroberung von Reims und die Exkommunikation der Räuber. Arnulf hat in St.
Basie seine Sünden unter Zeugen gebeichtet (confessio peccatorum) und seine
Vergehen in seinem libellus gestanden, den er unterschrieb nachdem er ihn öf-
fentlich verlesen hatte. Die Narratio endet mit dem Zitat aus dem Libellus
Ebonis: „Wegen deines Bekenntnisses und deiner Unterschrift: Trete von Deinem
Amt zurück" (cessa ab officio)971.
Dann kommt Gerbert zu den Punkten der Anklage und der Verteidigung.
Die Verteidiger Arnulfs spalten sich in zwei Lager auf. Das eine Lager kritisiert,
dass die Könige Arnulf Gnade und Vergebung in Aussicht gestellt hätten, er aber
trotzdem verurteilt worden sei; das andere Lager behauptet, dass die Absetzung
Arnulfs ohne die Zustimmung des Papstes erfolgt und daher ungültig sei. Arnulf
hätte nicht ohne die Zustimmung des Papstes abgesetzt werden dürfen und
überhaupt nie, ohne vorher in sein Amt wiedereingesetzt worden zu sein972. Die
Zuständigkeit eines Konzils (und nicht des Papstes) und die Legitimität des
Verfahrens versucht Gerbert durch ausführliche kanonistische Argumentation
zu belegen, mit starken Bezügen zu Hinkmar. Der Papst sei zudem nicht über-
gangen worden, man habe aber auf die an ihn gerichteten Briefe nie eine Antwort
erhalten973.
Für das Geständnis Arnulfs zieht Gerbert wie schon in dem Bericht zu St.
Basie das Dekret über Erzbischof Potamius von Braga als Autorität heran974. In
dem Brief finden sich aber keinerlei Verweise auf Ebo oder Egidius. Das ist ein
klares Indiz dafür, dass Gerbert hier gezielt weniger mit der Reimser Eigenge-
schichte argumentiert.
Die Hauptargumente Gerberts lauten: Arnulf hat seine confessio freiwillig
abgelegt, er hat sich gegen seine dem König gemachten Versprechen und Un-
terschriften gekehrt. Er hat auf sein Amt verzichtet, ist freiwillig zurück getreten
bzw. hat über sich selbst ein Urteil gefällt, so wie die biblischen Vorbilder Juda,
Achar und Achitofel (Matth. 27,3; losue 7, 20; 2. Reg. 17, 23) und er hat seine
Verbrechen in einem Libellus zusammengetragen wie Potamius.
Zum Vorwurf der erzwungenen Beichte und dem Vorwurf, die Absetzung
sei ohne Zustimmung des Papstes erfolgt und somit ungültig erwidert Gerbert,
Arnulf habe seine confessio freiwillig abgelegt und seine Verbrechen gestanden.
Wenn jemand sich aber selbst richte, sei keine Appellation an eine höhere Instanz

970 S. die Nachweise in den Anm. der kritischen Edition ebd. Die Benutzung des 55-Kapitelwerks ist
evident. Vgl. die tabellarische Übersicht zur Verwendung in dem Brief an Wilderod in MGH
Cone. IV, Suppl. II, S. 122.

971 Ebd., S. 453, 17f.

972 Ebd. S. 453,19-24.

973 Ebd., S. 462, 14-16.

974 Ebd. S. 464, 7.
 
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