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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0311
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310

XI. Die monastische Konstruktion bischöflichen Fehlverhaltens

gegen Rothad von Soissons1306, um seine Ansprüche zu untermauern. Hierfür
schreckte er auch vor Fälschungen nicht zurück, wie z. B. die Reimser Remi-
giusfälschungen (Testament des Remigius, diverse Urkunden) zeigen1307.
Ausgangspunkt für Hinkmar ist der tatsächliche Verlust von Kirchengut in
den Wirren der Bürgerkriege zwischen 835 und 845. In diesem Zeitraum war der
Reimser Bischofssitz vakant und das Bistum wurde von außen verwaltet. In
seinem Bemühen um Wiederherstellung der Reimser Besitzungen datierte er die
Grundlegung des Reimser Besitzes weit in merowingische bzw. frühkarolingi-
sche Zeit zurück1308.
Das längere Remigiustestament präsentiert ein Verfahren, mit dem ein Kö-
nig, der Kirchengut verschleudert, abgesetzt werden kann: Erst soll eine Mah-
nung der Bischöfe auf einer Reimser Synode erfolgen, dann eine Reimser und
Trierer Synode den Fall behandeln und wenn dann keine Besserung eintritt, soll
der König von drei oder vier Erzbischöfen abgesetzt werden. Der inhaltliche
Zusammenhang mit anderen Schriften Hinkmars von Reims ist evident. Ein
vorbildlicher Herrscher zeichnet sich nach Hinkmars Auffassung durch die
Rückgabe von Kirchengut aus1309, während ein schlechter Herrscher die Be-
dürfnisse der Kirchen missachtet und dafür wie Karl Martell in der Hölle
schmort, wie es Hinkmar in seiner Visio Eucherii schildert. Das war ein klares
Signal an Karl den Kahlen und seine Nachfolger, sich nicht an Kirchengut zu
vergreifen.
Nicht nur schlechte Herrscher, sondern auch schlechte Bischöfe erkennt man
an ihrem unangemessenen Verhalten gegenüber Kirchengut. So schildert
Hinkmar in einem Brief an Nikolaus I., dass Rothad von Soissons Vermögen der
Kirche (facultates ecclesiasticas) unterschlagen und heimlich ausgegeben habe.
Hinkmar fährt fort: „und Einkünfte der Kirche (receptas et ecclesie redditas) und
Silbergeschirr (wahrscheinlich liturgische Gefäße), von denen nicht wenige seit
langer Zeit in der Kirche hingen, aber dies und andere, was seine Vor- und
Vorvorgänger und einige Getreue für ihr Seelenheil dieser Kirche übertragen
hatten, wurde von ihm ohne Zustimmung des Metropoliten sowie der Mitbi-
schöfe sowie ohne Zustimmung des Ökonoms und der Priester und Diakone
seiner Kirche für seine Gelüste verschenkt"1310. Mit Verweis auf das Register
Gregors des Großen betont Hinkmar, dass die Veräußerung von Kirchengut

1306 Ed. Ernst Perels, Denkschrift, S. 43-100. Vgl. Schneider, Hinkmar, S. 1-6; 88-90; zur Absetzung
Rothads nach den Hinkmarbriefen bei Flodoard von Reims vgl. Sot, Historien, S. 519-522.

1307 Aus der umfangreichen Literatur vgl. nur Schneider, Hinkmar mit zahlreichen Beispielen;
Staubach, regia sceptra sacrans; aus der älteren Forschung Brühl, Hinkmariana. Um das längere
Remigiustestament in der Vita gibt es eine Forschungsdebatte. Ich folge der Meinung von
Martina Stratmann, die nicht von einer nachträglichen Inserierung in der Zeit um 1000 in
Flodoards Historia ausgeht, sondern die Verfasserschaft Hinkmars annimmt.

1308 Beispiele, etwa zu Urkundenfälschungen auf die Zeit Tilpins bei Schneider, Hinkmar, S. 48-58.

1309 Vgl. Schneider, Hinkmar, S. 40 zu Remigiusvita und Kirchengut: im Prolog der Remigiusvita
erwähnt Hinkmar, dass erst Pippin III. und Tilpin das unter Karl Martell entfremdete Kirchengut
wiederherstellten, in der Denkschrift von 863 sind es Fulrad und König Karlmann.

1310 Flodoard, Historia Remensis Ecclesiae, III, 13, S. 226, 17-21.
 
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