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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr.12
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Knorr, Theodor: Ringel-Illizach: ein elsässischer Bildner
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0260

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Ringel-illzach

EIN ELSÄSSISCHER BILDNER

Von TH. KNORR.

Das Biographische eines Künstlers darf bei
der Betrachtung seiner Werke oft mit Vorteil
zurückgedrängt werden. Die Mitteilungen aus
des Künstlers Leben erinnern nur zu leicht an
das Konversationslexikon und beschäftigen häufig
die Neugier des Lesers, wo es angebrachter wäre,
dessen Verständnis für die Werke des Künstlers
zu wecken. Doch scheinen bei manchen Per-
sönlichkeiten Leben und
Streben so sehr aus
einem Guß, daß die
Werke durch nähere
Kenntnis des Künstlers
an Interesse gewinnen
können. Bei Ringel ist
dies meines Erachtens
der Fall. Auch gehört
er nicht zu denjenigen
Künstlern, deren Persön-
lichkeit erst durch die
Rückstrahlung ihrer
Werke interessant wird.

Geboren ist Ringel
im Jahr 1847 in Jllzach
unweit Mülhausen im
Elsaß. Im Alter von
fünfzehn Jahren zog er
mit einem kleinen Sti-
pendium nach Paris, um
sich auf einen künst-
lerischen Beruf vorzu-
bereiten; ob zum Bild-
hauer oder Musiker, das
wußte er selbst kaum.

Er hielt sich einstweilen
beide Wege offen, in-
dem er gleichzeitig an
der Zeichenschule, der
heutigen Ecole des Arts
decoratifs, und am
Konservatorium Schüler
wurde.

Preise, die er an der Zeichenschule erhielt,
schlossen ihm die Pforten der Musikschule; denn
die Musik, so hieß es, könne nicht als Sprung-
brett zu bildhauerischen Erfolgen betrachtet wer-
den. Zwar blieb die Musik eine heimliche Ge-
liebte, seine Arbeitskraft jedoch galt zunächst
ausschließlich der Bildhauerei. Nach Einrichtung
des Meisterateliers an der Pariser Kunstakademie
trat Ringel in das Atelier von Jouffroy. Während
dieser Zeit verlor er sein Stipendium und, um
zu leben, nimmt er in der abendlichen Freizeit
die Musik zu Hilfe. Er spielt in kleinen Or-
chestern, bläst die Flöte, das Instrument, dem sein
Konservatoriumsstudium in erster Linie gegolten

hatte. Und er lebte davon. Die Gesundheit frei-
lich hielt nicht lange stand; die angestrengte
Tätigkeit tags und nachts erschöpfte seine Kräfte
bald so sehr, daß er in seine elsässische Heimat
zurückkehren mußte und im Vaterhaus ein
ganzes Jahr zur Genesung bedurfte. In diesen
Jahren machte Ringel mehrmals Konzertreisen
durch Deutschland bis nach Wien und Prag;
denn es galt nun nicht mehr allein, sich in Paris
durchzuschlagen, sondern es galt noch ein
weiteres: Ringel war jetzt in dem Alter, Militär-
dienst tun oder sich davon freikaufen zu müssen.
Und dazu brauchte er Geld. Nach der Welt-

ausstellung von 1867 ver-
ließ er Paris und mo-
dellierte in der Provinz
ein Medaillon nach dem
andern. Der Zweck
wurde erreicht. Der
Bildhauer und der Mu-
siker stützten einander
gegenseitig und es
schien fast, als wollten
ruhigere Tage anbrechen.
Ringel gedachte sich in
seiner elsässischen Hei-
mat niederzulassen und
ging nach Straßburg.

Doch war hier seines
Bleibens nicht lange.
Der Krieg führte ihn
hinweg, er trat in ein
Linienregiment in Be-
sancon ein und machte
unter Bourbaki den Feld-
zug mit. Tätig und ener-
gisch, wie er sich im
Leben und in seiner
Kunst erwiesen hatte,
wurde er bald zum Offi-
zier befördert; doch er
erfror sich den linken
Arm und sah sich da-
durch, nachdem der
Krieg verrauscht war,
jahrelang behindert. Das
Flötenspiel mußte jetzt
ruhen, da der steife Arm es nicht mehr zu-
ließ. Die mageren Jahre waren für ihn noch
nicht vorüber. Er machte sich wieder rüstig
an die Arbeit und verfertigte Modelle für allerlei
kleine Gebrauchsgegenstände, Schalen, Lampen,
Vasen u. dergl., welche in Bronzeguß ausgeführt
wurden; mit den Gipsabgüssen ging er bei den
Fabrikanten von Haus zu Haus. Die Flöte ver-
tauschte er mit dem Fagott, dessen Handgriffe
dem gelähmten Arm erreichbar waren.

Die Lähmung des Armes mag auch die
direkte Veranlassung dafür gewesen sein, daß
der Bildhauer nach einem bildsameren Material
suchte, als es der harte Stein darbot. Denn mit

Ringel-Jllzach. Selbstporträt (gehärtetes Wachs).

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