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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 4.1911

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Nr. 4 (Juli u. August)
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Kramer, ...: Leihgestern (Kr. Giessen): Reihengräber aus merovingischer Zeit
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Oberaden: Unterkastell
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https://doi.org/10.11588/diglit.24881#0075

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59

Nordwestlich von Grab 5 wurde Grab 6 aufgedeckt. In dem zähen Tonschlamm
wurde eine Kundfibel mit Almandinen besetzt (Abb. 32,n) und eine grosse Anzahl
der verschiedensten Perlen (vgl. Abb 32.s) gefunden. Am Fussende der Bestattung
stand eine zertrümmerte schwarze Urne.

Aus dem östlich daneben liegenden Grab 7 konnten ausser Perlen nur Scherben
von einem Glasbecher und einer Urne (Abb. 33,7) gerettet werden. Grab 8 war von
Norden nacb Süden gerichtet. Ein neben dem Schädel stehendes Gefäss mit halbkugel-
förmigem Unterteil enthielt eine scbön verzierte viereckige (Abb. 32,io) und eine
runde Gewandnadel (Abb. 32,12), beide von Bronze. In der Nähe lagen verscbiedene
buntfarbige Perlen. Am Fussende stand eine aufiällend schön verzierte Urne von
glänzend schwarzer Färbung (Abb. 33,1).

Nördlieh von diesen Frauengräbern auf der Höhe lagen Männergräber. Schon
die Yersucbsgräben, die im August 1910 auf diesem Gelände gezogen waren, deckten
vielfach Männergräber auf, die nur Spuren von Eisenwaffen enthielten. Das einzige
Ergebnis war eine Francisca. Im Okiober sollte bei zwei Giäbern, unter möglichst
sorgfältiger Aufdeckung, festgestellt werden, ob von dem Grabinhalt noch etwas zu
retten sei. Bei Grab 9, etvva 1 m tief, zeigten sich deutlich die Umrisse der gewal-
tigen Totenkiste. Mit Spannung und Bewegung sahen die zahlreich erschienenen Orts-
bewohner der weiteren Abhebung zu. An der dunkeln Färbung der Erde konnte die
Auflösung des Leichnams dentlich wahrgenommen werden. Eine Anzahl Zäbne, die
einer im kräftigsten Mannesalter stehenden Person angehört haben, waren die einzigen
Ueberreste, die vom Körper vorhanden waren. Endlich kamen auch die Wehr und
Waffen zum Vorschein, die einst dem Toten beigegehen waren. Da lagen zur rechten
Seite das Langschwert, die spat.ha und zwei Messer, quer über dem Unterleib ruhte
das Kurzschwert, der scramasax und an der rechten Schulter befand sich eine Wurf-
axt, die Francisca. Kurze Zeit nach Zutritt der Luft zerfielen die Eisenteile, selbst.
die schwere anscheinend massive Wurfaxt, die mit unterliegendem Boden ausgestochen
wurde, war nach zwei Stunden kaum noch der Farbe nach von dem sie umgebenden
Erdreich zu unterscheiden. Aus dem südlich gelegenen Männergrab 10 konnten
nur ein grosses Messer, Sax (Abb. 34,3), und eine ovale Eisenplatte gehoben werden. Als
sonstige Beigaben sind zu erwähnen: Teil eines Armbands aus Lignit und aus kobaltblauem
Glasfluss. Ein Stück Rötel mag zu kosmetiscben Zwecken s. Z. gedient haben, wenn-
gleich in einigen Gräbern zu Oberflacht der Rötel oder eine ähnliche Materie dazu
benutzt worden ist, den stumpfen Teil der Pfeile, auf dem die Spitze aufgesessen hat,
zinnoberrot zu färben.

Die Gräber 1 — 4 sind im Museum zu Giessen wieder aufgebaut. worden. Im
Laufe des Sommers 1911 wird beabsichtigt, die Ausgrabung bei Leihgestern fortzusetzen.

Giessen. Kramer.

30. Oberaden. Uferkastdl. Die diesjährige
Graßung im römischen Lager, über die wir
demnächst ausführlicher hoffen berichten zu
können, hat einen schönen neuen Fund
von einschneidender Wichtigkeit gebracht,
nämlich ein neuesKastell an der Lippe
selbst, etwa 2 km vom Lager entfernt (im
Landkreis Dortmund). Ausdehnung: von der
Mündung des „roten Bachs“ westlich bis in
den Wald von Schloss Schwansbell b. Lünen,

Südgrenze auf dem kath. Kirchhof Becking-
hausen-Horstmar. Günstige Lage äufhohem
Lippe-Ufer mit Steilabfall, der vollständig
erhalten ist. Festgestelltist der Umfang, die
Umwaliung mit drei parallelen Spitzgräben.

Die Gräben fehlen auf der Fiussseite, dort
konnten nur die Palisadengräbchen des
Walles festgestellt werden. Grabungen im
Innern stehen noch aus. Dr. Kropatscheck

vermutet in der Anlage die für das Ober-
adener Lager zu fordernde „notwendige Er-
gänzung“, das Uferkastell, zum Schutze
„nicht nur für den Uebergang über die
Lippe, sondern auch für die Ein- und Aus-
schiffung“. EineFurt über die Lippe hatte
an dieser Stelle bereits Pastor Prein (vgl.
„Aliso b. Oberaden“ 1906) angenommen,
als Fortsetzung des „Hünenpads“, dessen
Höhenrücken direkt darauf los führt, vorbei
am sog. „T u r m“, der in der Literatur über
Oberaden bereits eine Rolle spielte. Dieser
„Turm“ liegt etwa 500 m westl. vom neu-
gefundenen Kastell. Hier hat man eben-
falls in diesem Jahr gegraben, jedoch ohne
röm. Befestigungs- oder Besiedelungsspuren
zu finden.

[Nach dem Bericht von G. Kropatscheck,
Frankf. Ztg. Nr. 149 (19. Mai 1911)).
 
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