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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 9.1916

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Nr. 1 (Januar u. Februar)
DOI article:
Quilling, Fritz: Zum Marsrelief vom Feldbergkastell
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25479#0027

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breiten Rahmen und der die Darstellung enthaltenden Nische. Beide sind
scharf und deutlich durch einen Randstab von einander abgesetzt und nir-
gendwo greift das Figürliche auf den Rand über. Verlängert man nun den
links von den Buchstaben LIC gut erhaltenen Randstab nach unten, so geht
die Verlängerung hart am linken Arm des sog. Flußgottes vorbei und es
wird klar, daß für eine Urne kein Platz ist. Wohl aber müßte ein Stück
vom Unter-Arm noch sichtbar sein. Daß dies nicht der Fall ist, erscheint
auffälljg ünd kann, da der Stein an dieser Stelle glatt abgehauen ist und an
der Figur nichts fehlt, nur in der Absicht der Komposition seine Erklärung
fmden. Welche Erklärung, wird sich gleich zeigen.

Da ein Urnen-Attribut unmöglich ist, kommt die Deutung als Flußgott
schon stark ins Wanken und wenn wir näher zusehen, so scheitert sie auch
an der Haltung der Figur. Die typische Darstellung eines Flußgottes ist die
einer gemächlich ruhenden, halb liegenden Gestalt. Und was haben wir hier?
Ein in ganz verdrehter Stellung sitzendes Männchen, dessen Haltung wir tms,
um zur richtigen Deutung zu kommen, etwas genauer betrachten müssen.

Es sitzt nach links in einer recht gezwungenen Situation. Das linke
Bein ist ausgestreckt, das rechte stark angezogen, ein Bewegungsmotiv, das
auch in der Muskulatur des Gesäßes gut wiedergegeben ist. Während der
Unterkörper sich somit ganz nach links wendet, ist der Oberkörper voll dem
Beschauer zugekehrt. Die wohlerhaltenen Augen blicken ihn an und man
erkennt den spitzen Vollbart, der in gerader Richtung auf die Brust nieder-
geht. Von den Armen sind auffälligerweise nur die Oberarme und nicht
einmal diese vollständig sichtbar. Der rechte Unterarm könnte durch das
angezogene rechte Bein verdeckt sein, der linke aber müßte, wie schon be-
merkt, zum Vorschein kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach erklärt sich
das Fehlen der Unterarme und der unteren Teile der Oberarme sehr einfach
dadurch, daß die Arme in scharfer Biegung auf dem Rücken zusammen-
gebunden * 2) sind, daß wir somit in der Figur einen Gefangenen und zwar
vermutlich einen gefangenen Germanen zu erkennen haben.

Seit den flavischen Judaea capta-Typen erfreut sich das — damals längst
bekannte — Motiv trauernd oder gebunden kauernder Vertreter bezwungener
Nationen in der römischen Kunst steigender Beliebtheit. Das zeigt schon
eine flüchtige Durchsicht von Cohens Münzwerk 3) (III, S. 346, IV, S. 515
u. 516, V, S. 445, 527 u.s. f.).

Meistens tritt die Beigabe eines solchen Gefangenen in Verbindung mit
einem Tropaion oder einer Victoria auf, besonders zahlreich im dritten Jahr-
hundert 4). Seit dessen Mitte etwa begegnen aber daneben mit der Umschrift
Virtus Augusti und Principi iuventutis Typen 5), die sich unserem Relief

*) Diese Hauptsache für die Charakterisierung eines Gefangenen kommt bei einer
Darstellung in Vorderansicht, wie in unserem Falle, nicht zur Geltung. In der Regel ist
daher entweder Profildarstellung oder der Ausweg gewählt, daß die Hände nicht auf

dem Rücken, sondern vorn auf Brust oder Leib zusammengebunden sind. (Vgl. z. B.
Cohen III, 204, 346).

3) Cohen, Médailles impériales. 2. Aufl. (Paris 1880—1892). Sehr lehrreich zur
Beurteilung des Unterschiedes in der Darstellung von Flußgöttern und anderen gelagerten
Figuren, namentlich trauernden oder gefesselten Gefangenen ist das Großerz des Traian
(Cohen Nr. 39), auf dessen Rückseite die trauernde Armenia zwischen Euphrat und Tigris
erscheint. Ebenso das Bronzemedaillon des Lucius Verus, das Cohen in Bd. III S. 205
abbildet. Hier ist mitten zwischen zwei nach Iinks und rechts gelagerten Flußgöttern
ein Gefangener mit rückwärts gebundenen Händen in Vorderansicht dargestellt, ganz
ähnlich wie auf unserem Relief.

4) Vgl. Commodus Cohen Nr. 913; Maximinus Thrax Abb, S. 515 und 516;
Valerianus I Nr. 237, 242, 248—255; Gallienus Nr. 1044, 1045, 1057—1067, 1127,
1158, 1175 —1181, 1183 — 1189, ir97, 1198 usw.

ö) Auch sie haben ihre Vorgänger in Judaea capta-Darstellungen der flavischen
Periode, wie Titus Nr. 113 u. 391, Domitian Nr. 469.
 
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