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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 9.1916

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Nr. 5 (Sept. u. Okt.)
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Wagner, Friedrich: Kay bei Tittmoning (B.-A. Laufen, Oberbayern), römischer Grabaltar
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Riese, Friedrich Alexander: Rhenus bicornis
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https://doi.org/10.11588/diglit.25479#0089

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77

ist auf dem Tittmoninger Stein die Cista in den Fries verwoben. —- Auf der
rechten Seite sind zwei aus einer Schale trinkende Vögel dargestellt. Die
linke Seite wiederholt die gleiche Szene mit der Änderung, daß hier der eine
Vogel das aufgenommene Wasser schluckt. Die Schalen stellen eine etwas
gedrückte Form der von H. Willers veröffentlichten Bronzeeimer von Hem-
moor dar.

Die geschickt und lebendig vorgetragenen, eines gewissen feinen Humors
nicht entbehrenden Szenen machen den Stein zu einer der reizvollsten Er-
scheinungen römischer Provinzkunst auf bayerischem Boden. Der Stil weist
in den Anfang des 3. Jahrhunderts.

Miinchen. FriedrichWagner.

MISZELLEN.

Rhenus bicornis.

35_ In dem Triumphzug des Augustus, der auf dem Schild des Vulcanus dar-

gestellt ist, läßt Vergil Aen. VIII, 727 unter anderen auftreten 'extremi homimtm Mo-
rini Bhenusque hicornis’. Dieses bicornis faßt man meist als auf die zwei Miin-
dungen Rhenus und Vahalis bezüglich auf, und in der Tat wird cormia von Fluß-
miindungen gebraucht : 'septem digestum in cornua Nilum sagt Ovid Metam. IX, 773.
Aber jedenfalls hat es in unserer Stelle Ovid anders aufgefaßt, der in seiner
Nachahmung das vor Vergil nicht vorkommende Wort in der Stelle 'Alexirhoë
Granico nata bicorni (Metam. XI, 763) nur auf den gehörnten Flußgott beziehen
kann, zumal der Granicus sich in einer einzigen Mündung in das Meer ergießt.
Die Flußgötter werden bekanntlich mit gehörntem Stierkopf, dem Zeichen ihrer
Kraft, gebildet. So steht tauriformis Aufidus bei Horaz carm. 4,14,25; corniger
heißt der Tiber, Verg. Aen. VIII, 77, und auratus cornua der Eridanus, Verg. Georg.
4, 371. u. a. Noch bei Rutilius Namatianus 1, 179 steht 'fronte bicorni Tiberis’.
Vgl. auch Martial vom Rhenus: fractus cornu 7, 7, 3 und cornibus aureis receptis
10, 7, 6. So ist auch der Rhenus an jener Stelle der doppeltgehörnte Flußgott,
wie es auch zu der Beschreibung des Reliefschildes an sich besser paßt.

Wie kommt es nun, daß bei späteren — zuerst in einem 310 gehaltenen
Panegyricus — bicornis ganz entschieden auf die zwei Mündungen des Rheins geht
und zu dessen Namen wird? Da heißt es 'bicorni amne mersantur (Paneg. lat. 7, 11)
und wie zur Erklärung 'Bhenus in duo cornua gestit excederè (7> 13); weiter bei
Ausonius Mosella v. 437: 'Accedet lanto geminum tibi nomen ab amni, Cumque unus
de fonte fluas, dicere Bicornis ,t ähnlich bei Symmachus 1) und Hieronymus 2), und
zuletzt erscheinen gar bei Julius Honorius 3) in einer reichlich verwirrten Darlegung
Bhenus und Bicornis als Namen zweier Flüsse, die an den 'divortia Bheni anei-
nander grenzen! Dies ist doch auffallend, zumal es gar nicht feststand, daß der
Rhein genau zwei Mündungen habe : Caesar gibt ihm deren mehrere (in plures
defiuit partes’ B. G. 4, 10), Mela 4) und Tacitus 6) zwei, Plinius 3) und Ptolemaeus’)
drei. Es bleibt wohl nur übrig anzunehmen, daß schon eine alte Erklärung das
Wort bei Vergil auf zwei Mündungen bezogen habe, und dafür spricht auch das
Dilemma bei Servius, der so erklärt: 'bicornis aut commune est omnibus fluviis aut
proprie de Bheno, quia per duos alveos fluif ; die erste Erklärung meint den Gott,

Text ist die Cista fälschlich als Säulenschaft angesprochen. — Saaldorf: Bayer. National-

museum Kat. IV, Nr. 751. Die mit einer Plinthe versehene Cista dient jetzt sinnloser
Weise als Basis des bei Vollmer a. a. O. Nr. 482 erwähnten Meilensteins. Ein allerdings
zerbrochenes Gegenstück zu ihr stammt aus Sillersdorf und steht im Museum zu Traunstein.

’) Or. 3, 9. — z) In Isaiam 66, — 3) Geogr. lat. minores ed. Riese S. 37 f.

4) Mela 3, 24. — 5) Ann. 2,6. — e) Nat. hist. 4, 101.

7) Geogr. 2, 9 1. — Alle diese Stellen s. in meinem Buche Das rhein. Germanien

in der antiken Literatur 3, 24. 9, 35 f. 11, 14; 17. 13.20; 121 (437); 133 f·5 i39·
 
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