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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 9.1916

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Nr. 2 (März u. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.25479#0041

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29

LITERATUR.

12. Gottfried Kentenich, Geschichte der
Stadt Trier, von ihrer Gründung bis zur
Gegenwart. Denkschrift zum hun-
dertjährigen Jubiläum der Zugehörig-
keit der Stadt zum preußischen Staat.
Hrsg. im Auftrage der Stadt Trier. Mit
3 Stadtplänen. Fr. Lintzsche Buchhdlg.
(Friedr. Val. Lintz), Trier. 1915. IX u.
1035 S. Gr. 8 °.

Es ist ein prächtiges, aus einem Guß
gearbeitetes Werk, das uns hier, mitten in
den Tagen des Weltkrieges, freilich in einem
für Trier wie für das Werk der Hohen-
zollern besonders bedeutsamen Jahre, ge-
boten wird, und es gereicht, das dürfen
wir gleich hinzufügen, der berühmten Stadt
wie dem berufenen Geschichtschreiber und
dem Verlage gleichermaßen zur Ehre.

Uns berührt hier naturgemäß zunächst
der Teil, der die römische Zeit umfaßt.
Dieses «erste Buch» ist eingeteilt in die
Kapitel : 1. Die Unterwerfung Galliens durch
die Römer und das Volk der Treverer;
2. die Gründung der Stadt; 3. die Ent-
wicklung der römischen Stadt; 4. die Ent-
faltung des Christentums im römischen
Trier. Von besonderer Wichtigkeit zur
Beurteilung der Gesamtentwicklung und
der Stellung des Altertums in dieser Ent-
wicklung ist jedoch auch die römisch-
germanische Übergangszeit. Dieser
sind die ersten Kapitel des zweiten Buches
(«Anfänge und Ausbau einer deutschen
Stadt») gewidmet: i. der Untergang der
Römerherrschaft in Gallien und der Über-
gang Triers an die Franken; 2. die Erhal-
tung des Bischofssitzes und das Fortleben
der antiken Kultur.

Die Darstellung ist fließend und abge-
rundet; sie verrät überall Vertrautheit mit
den Ergebnissen der Forschung. Wenn es
von der Kultur der Treverer und Nordost-
galliens überhaupt heißt (S. 6), daß sie «in
der Zeit Cäsars hinter dem übrigen Qallien»
zurückstand, so können wir immerhin heute
zuversichtlicher als früher sagen, daß schon
Iange vor Cäsar auch in das treverische
Gebiet Proben der südlichen Kultur ge-
drungen waren, und daß in der älteren
Latènezeit sich auch der Wohlstand der
wachsenden Bevölkerung steigerte : das
wissen wir jetzt besonders aus den Unter-
suchungen Heinrich Baldes’, der die Be-
siedlungsgeschichteder Birkenfelder Gegend
und der angrenzenden Gebiete in helles
Licht gerückt hat (Kataloge west- u. süd-
deutscher Altertumssammlungen ΙΙΓ, Frankf.
a. M. 1914). Es kam zwar ein Rückschlag
(durch Germaneneinfälle); aber im letzten
vorchristlichen Jahrhundert (vor Ankunft
der Römer) entfaltete sich (ich führe Baldes’
Worte an) die Kultur der Treverer kräftig
«und stellt sich dar als eine Durchsetzung
keltischer Elemente mit germanischen

Eigenheiten. Es war ein fester Anschluß
an die Kultur Galliens erreicht.»

Eine der schwierigsten Fragen der
ältesten Trierer Geschichte ist die der
Gründung der Stadt. Daß sie römische
Neugründung ist, steht jetzt fest; aber wer
hat sie gegründet, wer hat sie zur Kolonie
erhoben? Daß die Entstehung der Stadt in
Augusteische Zeit zurückreicht, wird heute
wohl weniger bestritten. Aber hat er sie
auch zur Kolonie erhoben? Verf. meint an-
sprechend, daß die Stadt zunächst nicht
gedacht sei als Ersatz des alten Vorortes
der Treverer, «sondern als Militärstation»,
«als Etappenstation für die Armee» an der
Straße von Lyon zum Rheine. Aber die
weitere Annahme, daß die «ersten Bewohner
der Stadt keineT reverer, sondernrömische
Kolonisten» gewesen seien, wird auf
Widerspruch stoßen. Richard Wirtz, in
seinem Büchlein über das Römische Trier
(Paulinus-Druckerei, 1915) führt dagegen
das Mon. Ancyranum V 28 an. Wirwerden
uns in dieser F'rage vorläufig noch beschei-
den müssen.

Eine lebendige, anziehende Schilderung
führt uns die Entwicklung im 1. u. 2. Jahr-
hundert vor Augen, die Romanisierung der
Bevölkerung und die Vermischung hei-
mischer Sitte mit römischer Eigenart; be-
sonders bemerkenswert scheinen mir die
Ausführungen über das Verhältnis derStadt
zum Gau der Treverer (Aussonderung eines
bestimmten Gebiets aus dem Gau). Mit
Recht betont auch Verf., daß diese Kultur
keineswegs eine bloß städtische war; auch
er sagt, daß die Eifel «mindestens in
gleicher, wahrscheinlich in größerer Aus-
dehnung angebaut war als heutzutage» (vgl.
meine «Röm.-germ. Studien», S. 78 ff. und
S. 237 f.)

Es ist zu begrüßen, daß Verf. kräftig
betont, wie der Weinbau längs der ganzen
Mosel im 2. Jahrh. n. Chr. sich einbürgerte.
Hypnotisiert von der irreführenden alten
Vorstellung, als sei Kaiser Probus (f 282)
eine Art « Weinheiliger» für Gallien gewesen,
hat man bis in die jüngste Zeit hinein mehr
entschieden als sachkundig den Bau der
Rebe vor Probus für das Moselgebiet be-
stritten und (da man doch die bekannten
Zeugnisse in Stein nicht wegleugnen konnte)
höchstens einen Handel mit Wein zuge-
standen. Von vielem andern abgesehen
sind aber z. B. die bei Cobern zusammen
mit Münzen Hadrians gefundenen Küfer-
werkzeuge (Dächsel und Winzermesser)
nicht abzuleugnen.

Dem Kaiser Probus wird aber vom Verf.
ein anderes großes Werk zugeschrieben,
das nichts weniger als friedlichem Behagen
dienen sollte : die Porta nigra. Ihre Ent-
stehungszeit ist eine der großen, viel-
umstrittenen Fragen des römischen Trier.
 
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