23
borgen blieb (Abb. 15). Der Oberrand der einen erhaltenen Schmalseite zeigt
von der Mitte aus je 2 einfache Ranken oder Stücke des runden Mäanders;
ebenso wird die anderë Schmalseite verziert gewesen sein. Der Name der
Verstorbenen vor (DI)S MANIBVS fehlt; der Rest der zweiten Zeile ist zu
lesen (MA)RTVS FECIT ; denn zwischen dem ersten und dem zweiten senk-
rechten Grundstrich beträgt der Abstand 6 cm, sonst nur 3, und an dem ersten
ist unten noch ein dünner Ansatz bemerkbar. Zwischen den zwei Wörtern
steht je ein Trennungszeichen. Die Buchstaben der oberen Zeile stehen auf
der Innenkante, sind alle 8 cm hoch und sorgfältig ausgehauen; sehr breit ist
das N ausgefallen; der Rand am Fuße der Buchstaben ist z. T. etwas aus-
gebröckelt. Die Buchstaben der unteren Zeile stehen 3 cm von der Außen-
kante ab und sollten offenbar in der Innenkante mit 7 cm Höhe enden. Etwas
ist die Innenkante beschädigt; aber beim genauen Messen der senkrechten
Innenseite und ihres Oberrandes ergibt sich, daß die Längswand in der Ecke
rechts 10 cm stark ist und von da nach links bis zu 8 cm zusammenschrumpft,
so daß die Buchstaben oben unvollständig sind. Wie ist dies zu erklären?
War die innere Einbuchtung dieser Längswand von Anfang an vorhanden,
so konnte der Steinmetz seine Buchstaben tiefer setzen ; er mußte es ja beim
Vorzeichnen der Grundlinie und der Buchstaben merken. Da diese Buch-
staben nun auch kleiner und nicht so gut gehauen sind, schließe ich : In dem
Steinsargmagazin waren die stets notwendigen Worte DIS MANIBVS schon
eingehauen, und nach der Bestellung wurden die Namen nachgetragen. Bei
der Einlegung der Leiche ergab sich die lichte Weite in der Schulterstelle
zu gering, und nun wurden an der zweiten Langseite hier 2 cm weggehauen
und allmählich weniger bis zur Ecke; die Leiche brauchte 44 cm, die mittlere
Mannesbreite an den Schultern. Wann? Entweder bei der Römerleiche.
Aber da konnten ja die Angehörigen den nicht passenden Sarg wohl ablehnen
und einen anderen verlangen. Allerdings ist die Behauung gleichmäßig.
Oder, da rings herum fränkische Waffen lagen : die Römerleiche hatte in den
Sarg gepaßt; als aber die Franken sie herausgeworfen hatten, um einen der
Ihrigen einzubetten, war dieser Franke zu breit, so daß eine Seitenwand
dünner gehauen werden mußte. ■— Auf oder bei diesem Sarg lag ein darauf
passendes Stiick Deckel, 63 cm breit, am Rand 8 cm hoch, mit Walmdach ;
in der Brustgegend ist innen ein Stiick bis auf 5 cm Tiefe gleichmäßig
ausgehauen, so daß auf einer Mutter noch ihr Kind, oder auf einem Franken
noch sein Helm ruhen konnte.
Daß die Steinmetzen die Inschriften auf schmalen Steinstreifen nicht
gern in die Mitte, sondern die Füße oder die Köpfe der Buchstaben in den
Rand hieben, hat seinen guten Grund. War der Abstand ein Centimeter,
oder weniger, so mußten sie sehr vorsichtig sein, damit nicht ein Stückchen
Stein nach dem Rande wegsprang, was die ganze Arbeit verdarb. Schoben
sie die Buchstaben an den Rand, so konnten sie hier bequemer und auf der
entgegengesetzten Seite flotter einhauen.
Kreuznach. O. Kohl.
Leipniz (Steiermark). Ausgrabung von Flavia Solva 1915 *).
9. Es ist eine eigenartige Verkettung von Vergangenheit und Gegenwart, daß in
unmittelbarer Nähe der römischen Ruinen von Flavia Solva das Fliichtlingslager Wagna
erstanden ist. Neben der Trümmerstätte, deren Untergang durch die Verheerung der
Völkerwanderung im Anfange des 5. nachchristlichen Jahrhunderts erfolgt ist, erheben
*) Vgl. Festschrift des Flüchtlingslagers Wagna, Graz, Dezember 1915 S. 45 ff.,
mit Abbildung 50—58.
borgen blieb (Abb. 15). Der Oberrand der einen erhaltenen Schmalseite zeigt
von der Mitte aus je 2 einfache Ranken oder Stücke des runden Mäanders;
ebenso wird die anderë Schmalseite verziert gewesen sein. Der Name der
Verstorbenen vor (DI)S MANIBVS fehlt; der Rest der zweiten Zeile ist zu
lesen (MA)RTVS FECIT ; denn zwischen dem ersten und dem zweiten senk-
rechten Grundstrich beträgt der Abstand 6 cm, sonst nur 3, und an dem ersten
ist unten noch ein dünner Ansatz bemerkbar. Zwischen den zwei Wörtern
steht je ein Trennungszeichen. Die Buchstaben der oberen Zeile stehen auf
der Innenkante, sind alle 8 cm hoch und sorgfältig ausgehauen; sehr breit ist
das N ausgefallen; der Rand am Fuße der Buchstaben ist z. T. etwas aus-
gebröckelt. Die Buchstaben der unteren Zeile stehen 3 cm von der Außen-
kante ab und sollten offenbar in der Innenkante mit 7 cm Höhe enden. Etwas
ist die Innenkante beschädigt; aber beim genauen Messen der senkrechten
Innenseite und ihres Oberrandes ergibt sich, daß die Längswand in der Ecke
rechts 10 cm stark ist und von da nach links bis zu 8 cm zusammenschrumpft,
so daß die Buchstaben oben unvollständig sind. Wie ist dies zu erklären?
War die innere Einbuchtung dieser Längswand von Anfang an vorhanden,
so konnte der Steinmetz seine Buchstaben tiefer setzen ; er mußte es ja beim
Vorzeichnen der Grundlinie und der Buchstaben merken. Da diese Buch-
staben nun auch kleiner und nicht so gut gehauen sind, schließe ich : In dem
Steinsargmagazin waren die stets notwendigen Worte DIS MANIBVS schon
eingehauen, und nach der Bestellung wurden die Namen nachgetragen. Bei
der Einlegung der Leiche ergab sich die lichte Weite in der Schulterstelle
zu gering, und nun wurden an der zweiten Langseite hier 2 cm weggehauen
und allmählich weniger bis zur Ecke; die Leiche brauchte 44 cm, die mittlere
Mannesbreite an den Schultern. Wann? Entweder bei der Römerleiche.
Aber da konnten ja die Angehörigen den nicht passenden Sarg wohl ablehnen
und einen anderen verlangen. Allerdings ist die Behauung gleichmäßig.
Oder, da rings herum fränkische Waffen lagen : die Römerleiche hatte in den
Sarg gepaßt; als aber die Franken sie herausgeworfen hatten, um einen der
Ihrigen einzubetten, war dieser Franke zu breit, so daß eine Seitenwand
dünner gehauen werden mußte. ■— Auf oder bei diesem Sarg lag ein darauf
passendes Stiick Deckel, 63 cm breit, am Rand 8 cm hoch, mit Walmdach ;
in der Brustgegend ist innen ein Stiick bis auf 5 cm Tiefe gleichmäßig
ausgehauen, so daß auf einer Mutter noch ihr Kind, oder auf einem Franken
noch sein Helm ruhen konnte.
Daß die Steinmetzen die Inschriften auf schmalen Steinstreifen nicht
gern in die Mitte, sondern die Füße oder die Köpfe der Buchstaben in den
Rand hieben, hat seinen guten Grund. War der Abstand ein Centimeter,
oder weniger, so mußten sie sehr vorsichtig sein, damit nicht ein Stückchen
Stein nach dem Rande wegsprang, was die ganze Arbeit verdarb. Schoben
sie die Buchstaben an den Rand, so konnten sie hier bequemer und auf der
entgegengesetzten Seite flotter einhauen.
Kreuznach. O. Kohl.
Leipniz (Steiermark). Ausgrabung von Flavia Solva 1915 *).
9. Es ist eine eigenartige Verkettung von Vergangenheit und Gegenwart, daß in
unmittelbarer Nähe der römischen Ruinen von Flavia Solva das Fliichtlingslager Wagna
erstanden ist. Neben der Trümmerstätte, deren Untergang durch die Verheerung der
Völkerwanderung im Anfange des 5. nachchristlichen Jahrhunderts erfolgt ist, erheben
*) Vgl. Festschrift des Flüchtlingslagers Wagna, Graz, Dezember 1915 S. 45 ff.,
mit Abbildung 50—58.