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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 9.1916

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Nr. 2 (März u. April)
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Schmid, Walter: Leipniz (Steiermark), Ausgrabung von Flavia Solva 1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.25479#0036

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sich Bauten, bestimmt, die Not des Krieges zu lindern und Flüchtlingen aus jenem
Siiden Zuflucht zu gewähren, aus dem die ersten Gründer der römischen Niederlassung
gekommen sind.

Trotz der engen Nachbarschaft der römischen Überreste und der heutigen Bretter-
stadt wurde jedoch die Gefahr einer Überbauung der Ruinen und damit die Ausschal-
tung derselben aus dem Bereiche wissenschaftlicher Erforschung, wie es großenteils
bei römischen Städten der Fall ist, über deren Resten moderne Städte wie Laibach
(Emona) und Cilli (Celeia) sich erheben, glücklich vermieden, dank der Fiirsorge der
staatlichen Behörden. In Solva liegt noch die ganze römische Stadtanlage der Forschung
offen und dieser einzigartige Umstand hat die Baubehörde bewogen, bei der Abgrenzung
des Barackenlagers auf die Wahrung der Ausgrabungsmöglichkeit stets volle Riicksicht
zu nehmen.

Der Umstand, daß das Flüchtlingslager innerhalb des römischen Gräberfeldes von
Solva sich ausdehnt, war sogar fiir die Erschließung desselben von außerordentlichem
Vorteile, da bei den umfangreichen Erdbewegungen innerhalb des Lagers zahlreiche
Gräber angeschnitten wurden, die dank dem steten Entgegenkommen der Bauunter-
nehmer in den meisten Fällen mit der erforderlichen Sorgfalt gehoben werden konnten.

Im Anschlusse an die Untersuchungen innerhalb des Barackenlagers wurde im
August 1915 auch die seit dem Jahre 1911 vom österreichisch-archäologischen Institute
in Angriff genommene systematische Erforschung des römischen Stadtgebietes fort-
gesetzt. Durch ausgedehnte Versuchsgrabungen konnten die Grenzen der Stadt, die
bereits imj. 1911 in großen Umrissen festgestellt waren, und das ganze Stadtbild genauer
bestimmt werden. Solva hatte um die Mitte des 4. Jhs. eine Ausdehnung von 552 Meter
in nordsüdlicher und eine Breite von 404 Meter in ostwestlicher Richtung und bestand
aus 35 Häuserblocks, von denen der kleinste einen Umfang von 43.90 : 10.60 Meter, der
größte einen solchen von 126.75 ; 72.20 Meter hatte. Doch hat die stete Beobachtung
der Schichtenprofile den Beweis erbracht, daß die älteste römische Ansiedlung aus den
Jahren 76/77 n. Chr. nur zwölf Häusergruppen in der Länge von 275 Meter und Breite
von 204 Meter umfaßte. Um diesen ältesten Kern dehnte sich Iangsam die Stadt aus;
doch unterbrach der Einbruch der Markomannen in Noricum und Pannonien im J. 166
empfindlich die ruhige Entwicklung. Nur langsam erholte sich die von den Feinden in
Schutt gelegte Stadt von dem schweren Schlage, und erst im dritten Jahrhundert ist
wiederum ein Aufblühen des Gemeinwesens und eine Vergrößerung der Stadt bemerk-
bar; im vierten Jahrhundert ist nur ein geringes Wachstum noch zu beobachten, ob-
wohl Umbauten innerhalb der Häuser ziemlich häufig beobachtet werden konnten.

Die älteste Stadtanlage ist durchaus regelmäßig angelegt. Die Häuser liegen
zwischen rechtwinklig sich schneidenden 16—18 m breiten Straßen. Doch fehlt ihnen,
im Gegensatz zu den planvollen und zweckentsprechenden Anlagen in Celeia, Emona
und Virunum, jegliche Kanalisation, ein Zeichen der sparsamen Wirtschaftspolitik Kaiser
Vespasians. Nur in den Schotterkörper der Straßen, neben den manchmal mit Stainze r
Platten gepflasterten und durch Randsteine von der Fahrbahn getrennten Gehsteigen
angebrachte Rinnsale leiten das meteorische Wasser ab.

Die Bauführung der mittleren Periode beobachtet noch genau die Grundlinien des
ursprünglichen Stadtplanes, die jüngsten Häuser dagegen weichen ziemlich stark davon ab.

Konnte dergestalt aus den umfangreichen Versuchsgrabungen das ganze Stadtbild
einer römischen Provinzstadt, die durch Jahrhunderte den Mittelpunkt des städtischen
Lebens für Mittelsteiermark bildete, erschlossen und in ihrem Wachstum aufgezeigt
werden, wie es in solchem Umfange bisher in Osterreich noch nicht gelungen ist, so
war andererseits auch die Detailforschung von Erfolg begleitet. Es ist gdlungen, inner-
halb einer 71.10 m langen, 64.30 m breiten Häusergruppe das Amtsgebäude der Stadt,
das Forum, auszugraben. Der geringe Umfang der ältesten Siedelung erklärt auch die
t-leinen Größenverhältnisse des Forums, das im südöstlichen Viertel des Häuserblocks
 
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