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Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 9.1916

DOI issue:
Nr. 2 (März u. April)
DOI article:
Schmid, Walter: Leipniz (Steiermark), Ausgrabung von Flavia Solva 1915
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25479#0037

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untergebracht war. Es ist ein großer Raum von io m Breite und 18 m Länge, der
eigentlich einen großen Saal unter freiem Himmel darstellt und an allen Seiten mit
einem Umgang versehen ist. Säulenbasen, Gesimsstücke und Reste bunter Wandmalerei
sprechen von der ehemaligen architektonischen Ausstattung des Raumes. Vor dem Forum
lag der große Sitzungssaal, in der ersten Periode rechteckig, in der jüngeren Periode
mit einer halbrunden Apsis und einer Heizanlage versehen, die noch zum großen Teil
erhalten war. Im Hintergrunde des Forums befanden sich Räumlichkeiten für die
städtischen Ämter, von denen besonders der Raum für die Duumviri mit seiner präch-
tigen roten Wandbemalung auffiel. Die nächsten Parallelen zum Forum von Solva
finden sich, wie der Direktor des österreichischen archäologischen Institutes Professor
Dr. Emil Reisch bei der Besichtigung der Ausgrabungen feststellte, in Aequum (Citluk)
in Dalmatien und einigen römischen Städten in Afrika.

Im südwestlichen, an das Amtsgebäude angrenzenden Teile des Gebäudes waren
verschiedene Handwerker untergebracht, Bäcker, Schmiede u. dgl. Es wurden reichlich
Werkzeuge, Gußformen eines Kupferschmiedes, verbrannte Bronze- und Glasschlacke
gefunden. Bei den heizbaren Wohnräumen wurde hin und wieder die Feuerung von
der Straße her besorgt, auf die die Heiznischen gestellt wurden. Wie bereits vor zwei
Ja’nren beim Hause der Attier, konnte auch während der heurigen Ausgrabung eine
überaus reichliche Verwendung von heizbaren Räumen beobachtet werden, die meist
sehr solid gebaut, entweder mit einer Suspensur über dem ganzen Raum versehen,
zuweilen aber nur von Heizkanälen durchzogen waren, die gewölbt oder mit breiten
Stainzerplatten eingedeckt waren. Auch eine 22zeilige Inschrift wurde zum Eindecken
verwendet, die nach einer Prüiung von Prof. Dr. Otto Cuntz eines der wichtigsten
inschriftlichen Denkmäler von Solva darstellt, und ein Reskript der Kaiser Septimius
und Caracalla vom 14. Oktober 205 iiber die Feuerwehrzunft enthält, auf der fast
hundert Namen von Solvenser Bewohnern vorkommen.

Auch das Ergebnis an Funden allerlei Art war in diesem Jahre sehr reich. Arm-
bänder aus Glas, Gagat und Bronze, sehr seltene Fibelformen, zahlreiche Silber- und
Bronzemünzen, Werkzeuge aus Bronze und besonders aus Eisen ergänzen in willkom-
mener Abrundung das bisher aus den Ausgrabungen bekannte Bild der Handwerker-
tätigkeit in Solva. Besonders reich waren aber die Funde an plastischen Gesimsstücken
und Resten prächtiger Wanddekorationen, von denen große, wohlerhaltene Stücke
geborgen werden konnten. Sie bieten ein übersichtliches Bild der Wandlungen des
provinzialrömischen Dekorationsstils, der sich aus dem dritten pompejanischen Stil
entwickelt hat.

In sehr anschaulicher Weise vervollständigen endlich die Funde aus den Gräbern
das Bild der römischen Kultur aus Solva. Es. sind zwei größere Gräbergruppen
beobachtet worden, die zugleich auch eine soziale Schichtung in der Anlage der Gräber
verraten. Längs der römischen Reichsstraße, die in der Richtung der heutigen Landscha-
brücke am Hause der Attier und am Forum vorbeiführt, und im Flüchtlingslager ange-
schnitten wurde, befinden sich die reicheren Gräber, bei denen die meisten Steingrab-
denkmäler, so jenes des schreibenden Jünglings und des Hostilius Tertinus gefunden
wurden. Die reichere monumentale Ausschmückung als auch der Inhalt der Gräber
kennzeichnen sie als Gräber der Patrizier von Solva. Innerhalb dieser Familienbegräbnisse
wurde aber auch das Gesinde beigesetzt, dessen Grabbeigaben wesentlich einfacher
sind. Die Gräber waren sehr seicht in dem Boden eingetieft, Sarkophage (manchmal
wannenförmig und von großem Umfange) standen zum Teil mit dem Oberteil frei; ebenso
wurde beobachtet, daß die großen Vorratsgefäße mit dem Leichenbrand fast zur Hälfte
aus der Erde hervorragten, jedenfalls, um das Grab besser bezeichnen zu können.

Die ältesten Gräber sind meist Brandgräber, später nimmt die Bestattung über-
hand, wohl infolge der steigenden Einwirkung des Christentums. Die ältesten Gräber
sind zudem öfter mit einem Erdhügel überdeckt, ein Brauch, der noch aus dem vor-
römischen Grabritus herübergenommen wurde.
 
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