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nufakturen ') (L. Gellius, L. Avilius u. a. sind
die bekanntesten), haben zur selben Zeit,
in der die arretinische und frühsüdgallische
Ware den rheinischen und gallischen Markt
beherrscht, die Donauprovinzen ausgiebig
mit ihren Erzeugnissen versorgt. In Rätien
werden sie schon unter Claudius durch das
mächtig aufblühende La Graufesenque ver-
drängt. Der Umstand, daß in den späteren
Schichten Carnuntums sich überhaupt nur
eine beschränkteZahl von Sigillataresten und
diese meist gallischen und rheinischen Ur-
sprungs findet, scheint darauf hinzuweisen,
daß der Betrieb in den oberitalischen Töp-
fereien bald erloschen ist. — Die Errichtung
des ältesten Lagers wird mit denEreignissen
des Jahres 19 n. Chr. in Zusammenhang
gebracht, wobei aber m. E. noch zu beachten
bleibt, daß auch schon vorher, da Tiberius
als Feldherr des Augustus in dieserGegend
überwinterte, stärkere sicher noch deutlich
nachweisbare Anlagen bestanden haben
dürften.
Während die im vorhergehenden be-
schriebenen Überreste noch kein genaues
Bild dieser frühen Erdanlagen liefern, sind
wir umso besser über den unter Vespasian
im Jahre 73 n. Chr. erfolgten Neu- oderUm-
bau des großen Steinlagers unterrichtet,
bei dem eine Verschiebung des Grundrisses
um genau 10 römische Fuß eintrat. Durch
Unterwaschungen und Abstürze an der nach
der Donau zu gelegenen Praetorialfront
gezwungen, verlegte man sie um das betref-
fende Stück nach innen. Im ganzen wurden
bei den Grabungen sechs gleichartige Ma-
nipelkasernen aufgedeckt, die in ihrem
nordwestlichen Teil durch die bis 30 m
hohen Erosionen der Donau in großem
Umfange leider zerstört sind. Infolge ihrer
Anpassung an den Verlauf der Umfassung
und den Zug der via praetoria divergieren ί
sie fächerförmig gegen Nordu'est. Im Ver-
gleich zu den früher aufgedeckten Kasernen
der Retentura zeigen sie eine bedeutend
geringere Veränderung durch spätere Um-
bauten und lassen die Anlehnung an gleich-
artige Bauten der bekannten Lager von
Novaesium nnd Lambaesis klar erkennen.
Dieser Regelmäßigkeit des Grundrisses ist
es zu verdanken, daß sich eine genauere
Einteilung und Erkennung der Belegstärke
vornehmen ließ. Die Zahl der Contubernien
ist auf zehn für jede Centurie festgestellt,
wobei mit hoher Wahrscheinlichkeit die
Centurie zu 80 Mann, geteilt in 10 Con-
tubernien zu je 8 Mann, gerechnet werden
') Neuerdings hat Oxé in seinem Be-
richt über Vorarbeiten zum Katalog der
italischen Terra sigillata (VII. Bericht der
röm.-germ. Kommission 1912 Frankf. 1915,
S. 13) diese oberitalischen Töpfereien ein-
gehend behandelt. Seinen Feststellungen
nach fällt ihre Blütezeit unter Tiberius,
Caius und Claudius.
muß. Getrennt war dieser Kasernenkomplex
von dem scamnum tribunorum durch eine
breite Straße, die in ihren verschiedenen
Straten willkommene Einblicke in die Ge-
schichte dieses Bauteils gewährte und von
einem mächtigen Kanal mit mehreren wohl-
erhaltenen Einsteigschächten durchzogen
wird. Der Zweck dieses Kanales wird in
einem besonderen Exkurs dahin erklärt,
daß er lediglich zur raschen Ableitung der
Niederschlagwässer aus Lagerstraßen und
Höfen diente. Auf dem scamnum tribu-
norum gelang die Aufdeckung dreier
größerer Gebäudegruppen, deren Beschrei-
bung jedoch erst im nächsten Hefte foigen
soll. Auf alle die zahlreichen zum Teil
sehr interessanten technischen undlokalen
Einzelheiten kann hier der Kürze halber
nicht eingegangen werden.
Von den späteren Schicksalen des La-
gers in der bewegten Zeit des Marc Aurel
und bei der Zusammenkunft der Augusti
und Caesares vom 7. Nov. 308 n. Chr. lassen
sich nur recht geringe Spuren nachweisen.
Am besten und klarsten tritt der Wieder-
aufbau des Lagers unter Valentinianus I.
im jahre 375 n. Chr. aus Fundumständen
und Grundriß hervor. Vor allem erfolgte
damals eine Verstärkung der Lagermauer
und Verbesserung der gesamten Umwal-
lung. Als für diese Zeit charakteristisch
zeigt sich auch hier stellenweise im Innern
eine Überdeckung der Grundmauern eines
vorhandenen Gebäudes durch eine starke
Gußmauerschicht, auf der ein Neubau
errichtet wird, ein Verfahren, das bei
spätzeitlichen Bauten öfters zu beobach-
ten ist. Ferner führte man vor allem den
oben erwähnten Kanal in der Kasernen und
Tribunenscamnum trennenden Straße mit
Flacheindeckung weiterund legte ein neues
Stratum darüher. Dieser Eir.deckung ist
die Erhaltung einer Reihe wichtiger Grab-
steine zu verdanken, deren Bedeutung von
E. Bormann in einem besonderen Anhang
gewûrdigt wird. Sie sind besonders durch
die Darstellung eines mit Ochsen bespannten
Wagens, sowie eines für Getreidetransport
auf der Donau bestimmten Lastkahnes
bemerkenswert. — Die valentinianische
Erneuerung war nur von verhältnismäßig
kurzer Dauer. Die ereignisreiche Zeit um
410 n. Chr., die auch für die übrigen Nord-
grenzen des Reiches von einschneidender
Bedeutung gewesen ist, bezeichnet hier
ebenfalls das Ende der Römerherrschaft.
Mit Recht denkt v. Kenneran den Einfall
des Radagais, eine Ansicht, die noch durch
einen mit Honorius abschließenden Münz-
schatzfund gestützt wird, der nach den
Fundumständen in dieser Zeit geborgen
worden ist.
Nach dieser letzten Zerstörung sind
aber noch hier und da bauliche Ver-
änderungen vorgenommen worden, die je-
doch bereits keine Anlehnung mehr an den
nufakturen ') (L. Gellius, L. Avilius u. a. sind
die bekanntesten), haben zur selben Zeit,
in der die arretinische und frühsüdgallische
Ware den rheinischen und gallischen Markt
beherrscht, die Donauprovinzen ausgiebig
mit ihren Erzeugnissen versorgt. In Rätien
werden sie schon unter Claudius durch das
mächtig aufblühende La Graufesenque ver-
drängt. Der Umstand, daß in den späteren
Schichten Carnuntums sich überhaupt nur
eine beschränkteZahl von Sigillataresten und
diese meist gallischen und rheinischen Ur-
sprungs findet, scheint darauf hinzuweisen,
daß der Betrieb in den oberitalischen Töp-
fereien bald erloschen ist. — Die Errichtung
des ältesten Lagers wird mit denEreignissen
des Jahres 19 n. Chr. in Zusammenhang
gebracht, wobei aber m. E. noch zu beachten
bleibt, daß auch schon vorher, da Tiberius
als Feldherr des Augustus in dieserGegend
überwinterte, stärkere sicher noch deutlich
nachweisbare Anlagen bestanden haben
dürften.
Während die im vorhergehenden be-
schriebenen Überreste noch kein genaues
Bild dieser frühen Erdanlagen liefern, sind
wir umso besser über den unter Vespasian
im Jahre 73 n. Chr. erfolgten Neu- oderUm-
bau des großen Steinlagers unterrichtet,
bei dem eine Verschiebung des Grundrisses
um genau 10 römische Fuß eintrat. Durch
Unterwaschungen und Abstürze an der nach
der Donau zu gelegenen Praetorialfront
gezwungen, verlegte man sie um das betref-
fende Stück nach innen. Im ganzen wurden
bei den Grabungen sechs gleichartige Ma-
nipelkasernen aufgedeckt, die in ihrem
nordwestlichen Teil durch die bis 30 m
hohen Erosionen der Donau in großem
Umfange leider zerstört sind. Infolge ihrer
Anpassung an den Verlauf der Umfassung
und den Zug der via praetoria divergieren ί
sie fächerförmig gegen Nordu'est. Im Ver-
gleich zu den früher aufgedeckten Kasernen
der Retentura zeigen sie eine bedeutend
geringere Veränderung durch spätere Um-
bauten und lassen die Anlehnung an gleich-
artige Bauten der bekannten Lager von
Novaesium nnd Lambaesis klar erkennen.
Dieser Regelmäßigkeit des Grundrisses ist
es zu verdanken, daß sich eine genauere
Einteilung und Erkennung der Belegstärke
vornehmen ließ. Die Zahl der Contubernien
ist auf zehn für jede Centurie festgestellt,
wobei mit hoher Wahrscheinlichkeit die
Centurie zu 80 Mann, geteilt in 10 Con-
tubernien zu je 8 Mann, gerechnet werden
') Neuerdings hat Oxé in seinem Be-
richt über Vorarbeiten zum Katalog der
italischen Terra sigillata (VII. Bericht der
röm.-germ. Kommission 1912 Frankf. 1915,
S. 13) diese oberitalischen Töpfereien ein-
gehend behandelt. Seinen Feststellungen
nach fällt ihre Blütezeit unter Tiberius,
Caius und Claudius.
muß. Getrennt war dieser Kasernenkomplex
von dem scamnum tribunorum durch eine
breite Straße, die in ihren verschiedenen
Straten willkommene Einblicke in die Ge-
schichte dieses Bauteils gewährte und von
einem mächtigen Kanal mit mehreren wohl-
erhaltenen Einsteigschächten durchzogen
wird. Der Zweck dieses Kanales wird in
einem besonderen Exkurs dahin erklärt,
daß er lediglich zur raschen Ableitung der
Niederschlagwässer aus Lagerstraßen und
Höfen diente. Auf dem scamnum tribu-
norum gelang die Aufdeckung dreier
größerer Gebäudegruppen, deren Beschrei-
bung jedoch erst im nächsten Hefte foigen
soll. Auf alle die zahlreichen zum Teil
sehr interessanten technischen undlokalen
Einzelheiten kann hier der Kürze halber
nicht eingegangen werden.
Von den späteren Schicksalen des La-
gers in der bewegten Zeit des Marc Aurel
und bei der Zusammenkunft der Augusti
und Caesares vom 7. Nov. 308 n. Chr. lassen
sich nur recht geringe Spuren nachweisen.
Am besten und klarsten tritt der Wieder-
aufbau des Lagers unter Valentinianus I.
im jahre 375 n. Chr. aus Fundumständen
und Grundriß hervor. Vor allem erfolgte
damals eine Verstärkung der Lagermauer
und Verbesserung der gesamten Umwal-
lung. Als für diese Zeit charakteristisch
zeigt sich auch hier stellenweise im Innern
eine Überdeckung der Grundmauern eines
vorhandenen Gebäudes durch eine starke
Gußmauerschicht, auf der ein Neubau
errichtet wird, ein Verfahren, das bei
spätzeitlichen Bauten öfters zu beobach-
ten ist. Ferner führte man vor allem den
oben erwähnten Kanal in der Kasernen und
Tribunenscamnum trennenden Straße mit
Flacheindeckung weiterund legte ein neues
Stratum darüher. Dieser Eir.deckung ist
die Erhaltung einer Reihe wichtiger Grab-
steine zu verdanken, deren Bedeutung von
E. Bormann in einem besonderen Anhang
gewûrdigt wird. Sie sind besonders durch
die Darstellung eines mit Ochsen bespannten
Wagens, sowie eines für Getreidetransport
auf der Donau bestimmten Lastkahnes
bemerkenswert. — Die valentinianische
Erneuerung war nur von verhältnismäßig
kurzer Dauer. Die ereignisreiche Zeit um
410 n. Chr., die auch für die übrigen Nord-
grenzen des Reiches von einschneidender
Bedeutung gewesen ist, bezeichnet hier
ebenfalls das Ende der Römerherrschaft.
Mit Recht denkt v. Kenneran den Einfall
des Radagais, eine Ansicht, die noch durch
einen mit Honorius abschließenden Münz-
schatzfund gestützt wird, der nach den
Fundumständen in dieser Zeit geborgen
worden ist.
Nach dieser letzten Zerstörung sind
aber noch hier und da bauliche Ver-
änderungen vorgenommen worden, die je-
doch bereits keine Anlehnung mehr an den