Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 9.1916

DOI issue:
Nr. 4 (Juli u. August)
DOI article:
Cramer, Franz: Mercurius Susurrio - érmis psithnristís
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.25479#0065

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
53

von Liebesgöttern entspricht 9). Kurz, «Mercurius. der Flüsterer» gehört in
die Reihe der Götter, die den Geheimnissen der Liebenden ihr Ohr leihen.

Nach all diesem werden wir kaum fehlgehen mit der Annahme, daß
die Vorstellungen, die sich mit der Gestalt des Mercurius Susurrio verbinden,
auf dem breiten Boden der hellenistischen Weltkultur erwachsen sind.
Es fragt sich aber, ob der Umweg über Rom nötig war, um diese Bereiche-
rung der Götter- und Zauberwelt in die gallisch-germanischen Lande zu tragen.
Es ist leicht möglich, daß der, nähere, unmittelbare Weg über Massilia, über
das uralte Kulturzentrum des unteren Rhonegebiets in Betracht kommt, zumal
da, wie wir sahen, in der gallischen Götterverehrung sich Anknüpfungspunkte
genug fanden. Auch das lateinische (nicht keltische) Beiwort Susurrio
steht nicht im Wege. Man denke nur an die gallisch-germanischen Gott-
heiten der Matronae oder Matres, den provinzialen, ganz besonders im
Rheinland stark verehrten Hercules Saxanus 10 *) und an den Mercurius
Nund[inator] im Maingebiet u).

Jedenfalls war der Weihende selbst, soviel scheint mir festzustehen, kein
Mann italisch-römischer Herkunft. Ich stellte a. a. O. S. 237 fest; daß, soweit
die Namenverzeichnisse in den Bänden des Corpus inscriptionum Latinarum
einen Schluß zulassen, der Name Vadin(i)us nirgendwo sonst vorkommt,
ganz besonders nicht in Rom und Italien. Wohl gibt es bekanntlich einen
ziemlich oft bezeugten Gentilnamen Vatinius. Unser Vadinius kann aber
provinzielle Abwandlung von Vatinius sein, und da ergibt sich als Ursprungs-
land solcher Lautveränderung Niedergermanie'n, im besonderen das
Bataverland; auf einer Inschrift (CIL VI 3240) bezeichnen sich zwei equites
singulares (mit dem Geschlechtsnamen Candidinius) als 'natione Badaus’
(d. i. Badavûs = Batavos). Aber auch sonst tritt uns in den Niederlanden
d statt t entgegen. Die von Tacitus genannte Ortschaft Vada 12) (vielleicht
ist Vadinus hieran angelehnt) scheint mir dieselbe Wurzelsilbe zu haben, die
auch in Vet-era steckt (wohl identisch mit got. 'watô Wasser’), aber mit
gewandeltem t-Laut. Und dasselbe Verhältnis besteht zwischen der gallo-
römischen Form Turnäcum (Tournay) und der niederfränkischen : Dornick.
Mit der Annahme niederländischer Heimat für unsern Victorinus Vadini filius
steht der Name Victorinus selbst in vollem Einklange. Weit häufiger als in
Italien erscheint er in Gallia Belgica, im römischen Germanien und besonders
in niederrheinischen Gebieten ; vornehmlich sind diese Victorini Soldaten.
Der bekannteste Träger des Namens im Rhein-Moselgebiet war jener M. Pia-
onius Victorinus, der um 260 als Prätorianertribun und Gegenkaiser in Trier
eine Rolle spielte.

In so späte Zeit wird unsere Inschrift übrigens nicht gehören. Dagegen
sprechen schon die regelmäßigen, ja schönen Schriftzüge. Ihre Beschaffenheit
ließe an sich sogar an das I. Jahrhundert n. Chr. denken ; doch sind wohl-

9) Vgl. H. Usener, Götternamen S. 267; ders.: Psithyros (Rhein. Museum 59,
1904, S. 623 t. = Kl. Schriften IV S. 407); im letztbezeichneten Aufsatz bespricht U. eine
(i. J. 1902) gefundene Inschrift der röm. Kaiserzeit, die einem Gotte Psithyros geweiht
war. Einen Heros Psithewos bezeugt auch Hesychius (für Athen).

10) An der Herleitung vom germanischen sachs halte ich nach den Ausführungen

von K. Wigand, Bonner Jahrb. 123 (1915) S. 15 ff. nicht mehr fest. (Meine Bemerkung
über diese Gottheit steht übrigens auf S. 84 der Röm.-germ. Studien; nicht 48, wie W.
angibt.) ,

u) Freund Keune(Metz) schreibt mir: «Die Weihinschrift von Bierbach CIL XIII
7569 habe ich im Artikel Rosmerta (Paulys Reaiencykl. s. v. Sp. 1133, 23) ohne Angabe
einer Lücke in der Lesung, also ohne Klammern gelassen, weil die Inschrift früher
vollständig lesbar war; Zangemeister hat noch den Beinamen bis Nundinat. gelesen,
ori ist jetzt vollständig geschwunden, ebenso aber auch Z. 1 : E u. VRIO.»

lz) Durchaus verschieden von iat. vadum (zu alth. 'watan = waten’).
 
Annotationen