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wir sie aus zahlreichen Denkmälern 3) der Kaiserzeit kennen. Der Gott ist nach
griechisch-römischer Weise nur am Ünterkörper bekleidet, seine Gattin dagegen
vollständig. Ihre Attribute sind Füllhorn und Schale. Auf dem Iiaupte trägt der
Genius eine zackige Krone, während Junos Kopf ein Diadem geschmückt zu haben
scheint. Dadurch ist ihre Deutung vollkommen gesichert.
Nebenbei sei hier die Frage aufgeworfen, wie unsre beiden Gottheiten zu
ihren Attributen, Füllhorn und Schale, gekommen sind. Als Zwitternaturen möchte
ich die von Genius und Juno bezeichnen. Hierdurch lassen sich auch ihre beiden
Beigaben erklären. Ihrer übernatürlichen Seite kommt das Füllhorn, das Zeichen
des reichen göttlichen Segens, zu, während die Opferschale oder das Darbringen
eines Rauchopfers, vom religiösen Standpunkt aus betrachtet, auf die höchste,
idealste menschliche Tätigkeit hinweist. Aus dem Grundcharakter der Göttin
erklärt sich auch die auf den ersten -Blick merkwürdige Tatsache, daß die Gattin
des höchsten Gottes auf den Viergöttersteinen ein Trank- oder Rauchopfer dar-
bringt, Zeus dagegen stets durch Adler und Zepter charakterisiert ist.
Das gleiche Götterpaar findet sich ebenfalls stehend auf dem Altar von
Denneroy 4 5) in Autun. Sie tragen die erwähnten Attribute, Genius ist noch näher
durch die sich neben ihm emporwindende Schlange gekennzeichnet (Wissowa
a. a. O. S. 103). Das Unerwartete auf diesem Werke ist nun, daß zu Genius und
Juno eine weitere Gottheit tritt, und zwar eine spezifisch gallische Gottheit, der
kurzgeschürzte dreiköpfige Gott. Sie bilden also einen der in Gallien so beliebten
göttlichen Dreivereine, ohne daß wir freilich etwa's näheres über ihn wußten und
ihn benennen könnten 15).
Die besprochenen Denkmäler aus Gallien zeigen das Götterpaar in vollkommen
römischer Ausstattung und Haltung. Aber wiewir neben dem griechisch-römischen
Hermes, in dem die Gallier sicher auch einen heimischen Gott gesehen haben,
einen spezifisch gallischen Mercur kennen — ich erinnere nur an das Trierer
Esusrelief und den bärtigen Mercur — so finden wir auch Genius und Juno, unter
Beibehaltung ihrer römischen Attribute FüIIhorn und Schale, in gallischer Aus-
stattung auf den heimischen Denkmälern. Als Ausgangspunkt seien die sich
ergänzenden Gruppen in Autun und St. Germain (Espérandieu a. a. O. III S. 65
Nr. 1837 uud S. 284 Nr. 2334) genommen. Zunächst fällt in die Augen, daß beide
Gottheiten in voller Bekleidung auf einer Bank sitzen, eine Darstellungsart, die
bei den Kelten besonders beliebt ist, vgl. z. B. die meisten Darstellungen der matres
und in anderer Sitzart Cernunnos. Ferner ist das Götterpaar nicht jugendlich,
sondern eher alt. Dadurch ist die Juno den matres angeglichen; die ja bekannt-
lich auf den Inschriften auch Junones heißen. Diese Zusammenhänge weiter zu
verfolgen, ist hier nicht der Platz. Beide Gottheiten tragen als Beigaben Schale
und Füllhorn, der Gott der zuletzt erwähnten Gruppe eine mißverstandene Schale,
bezw. deren keltischen Ersatz, eine «olla».
Als dieselben Gottheiten, die wir freilich nicht zu benennen vermögen, werden
wir das in den folgenden Gruppen dargestellte Götterpaar aufzufassen haben :
Espérandieu a. a. 0. III S. 61 Nr. 1828
S. 62 Nr. 1830
S. 70 Nr. 1852
S. 252 Nr. 2255
„ Nr. 2256
S. 274 Nr. 2313
Die nieisten Denkmäler dieser Gruppe stammen aus Autun.
Espérandieu a. a. 0. IV S.
S.
76 Nr. 2878
77 Nr. 2879
„ Nr. 2880
89 Nr. 2911
426 Nr. 3567
3) Ich erinnere an ihr Vorkommen auf den Viergöttersteinen und möchte an dieser
Stelle auf das interessante Geniusrelief in Bonn hinweisen, auf dem der Gott von Nike
gekrönt wird. Beste Abbildung: Bonner Jahrb. 122, 1912, Taf. VI Nr. 5.
4) Espérandieu a. a. O. III 2131; Courcelle-Seneuil, Les Dieux gaulois S. 48 Fig. 12;
Renel, Les religions de la Gaule Fig. 27, S. 266 (nach Bertrand, Rel. gaul. S. 316).
5) Gibt es doch aufier unserm Relief nur noch zwei Darstellungen des stehenden
tricéphale: Espérandieu a. a. O. IV S. 220 Nr. 3137 und III S. 176 Nr. 2083. Köpfe des
Gottes allein oder als Abschluß einer Säule sind häufiger. Die meisten stammen aus
Reims: Courcelle-Seneuil a. a. O. S. 52/53 und Taf. 8 zu S. 102 = Espérandieu II 1316,
S. 256/57, dazu IV S. 302, Nr. 3287 (Langres).
wir sie aus zahlreichen Denkmälern 3) der Kaiserzeit kennen. Der Gott ist nach
griechisch-römischer Weise nur am Ünterkörper bekleidet, seine Gattin dagegen
vollständig. Ihre Attribute sind Füllhorn und Schale. Auf dem Iiaupte trägt der
Genius eine zackige Krone, während Junos Kopf ein Diadem geschmückt zu haben
scheint. Dadurch ist ihre Deutung vollkommen gesichert.
Nebenbei sei hier die Frage aufgeworfen, wie unsre beiden Gottheiten zu
ihren Attributen, Füllhorn und Schale, gekommen sind. Als Zwitternaturen möchte
ich die von Genius und Juno bezeichnen. Hierdurch lassen sich auch ihre beiden
Beigaben erklären. Ihrer übernatürlichen Seite kommt das Füllhorn, das Zeichen
des reichen göttlichen Segens, zu, während die Opferschale oder das Darbringen
eines Rauchopfers, vom religiösen Standpunkt aus betrachtet, auf die höchste,
idealste menschliche Tätigkeit hinweist. Aus dem Grundcharakter der Göttin
erklärt sich auch die auf den ersten -Blick merkwürdige Tatsache, daß die Gattin
des höchsten Gottes auf den Viergöttersteinen ein Trank- oder Rauchopfer dar-
bringt, Zeus dagegen stets durch Adler und Zepter charakterisiert ist.
Das gleiche Götterpaar findet sich ebenfalls stehend auf dem Altar von
Denneroy 4 5) in Autun. Sie tragen die erwähnten Attribute, Genius ist noch näher
durch die sich neben ihm emporwindende Schlange gekennzeichnet (Wissowa
a. a. O. S. 103). Das Unerwartete auf diesem Werke ist nun, daß zu Genius und
Juno eine weitere Gottheit tritt, und zwar eine spezifisch gallische Gottheit, der
kurzgeschürzte dreiköpfige Gott. Sie bilden also einen der in Gallien so beliebten
göttlichen Dreivereine, ohne daß wir freilich etwa's näheres über ihn wußten und
ihn benennen könnten 15).
Die besprochenen Denkmäler aus Gallien zeigen das Götterpaar in vollkommen
römischer Ausstattung und Haltung. Aber wiewir neben dem griechisch-römischen
Hermes, in dem die Gallier sicher auch einen heimischen Gott gesehen haben,
einen spezifisch gallischen Mercur kennen — ich erinnere nur an das Trierer
Esusrelief und den bärtigen Mercur — so finden wir auch Genius und Juno, unter
Beibehaltung ihrer römischen Attribute FüIIhorn und Schale, in gallischer Aus-
stattung auf den heimischen Denkmälern. Als Ausgangspunkt seien die sich
ergänzenden Gruppen in Autun und St. Germain (Espérandieu a. a. O. III S. 65
Nr. 1837 uud S. 284 Nr. 2334) genommen. Zunächst fällt in die Augen, daß beide
Gottheiten in voller Bekleidung auf einer Bank sitzen, eine Darstellungsart, die
bei den Kelten besonders beliebt ist, vgl. z. B. die meisten Darstellungen der matres
und in anderer Sitzart Cernunnos. Ferner ist das Götterpaar nicht jugendlich,
sondern eher alt. Dadurch ist die Juno den matres angeglichen; die ja bekannt-
lich auf den Inschriften auch Junones heißen. Diese Zusammenhänge weiter zu
verfolgen, ist hier nicht der Platz. Beide Gottheiten tragen als Beigaben Schale
und Füllhorn, der Gott der zuletzt erwähnten Gruppe eine mißverstandene Schale,
bezw. deren keltischen Ersatz, eine «olla».
Als dieselben Gottheiten, die wir freilich nicht zu benennen vermögen, werden
wir das in den folgenden Gruppen dargestellte Götterpaar aufzufassen haben :
Espérandieu a. a. 0. III S. 61 Nr. 1828
S. 62 Nr. 1830
S. 70 Nr. 1852
S. 252 Nr. 2255
„ Nr. 2256
S. 274 Nr. 2313
Die nieisten Denkmäler dieser Gruppe stammen aus Autun.
Espérandieu a. a. 0. IV S.
S.
76 Nr. 2878
77 Nr. 2879
„ Nr. 2880
89 Nr. 2911
426 Nr. 3567
3) Ich erinnere an ihr Vorkommen auf den Viergöttersteinen und möchte an dieser
Stelle auf das interessante Geniusrelief in Bonn hinweisen, auf dem der Gott von Nike
gekrönt wird. Beste Abbildung: Bonner Jahrb. 122, 1912, Taf. VI Nr. 5.
4) Espérandieu a. a. O. III 2131; Courcelle-Seneuil, Les Dieux gaulois S. 48 Fig. 12;
Renel, Les religions de la Gaule Fig. 27, S. 266 (nach Bertrand, Rel. gaul. S. 316).
5) Gibt es doch aufier unserm Relief nur noch zwei Darstellungen des stehenden
tricéphale: Espérandieu a. a. O. IV S. 220 Nr. 3137 und III S. 176 Nr. 2083. Köpfe des
Gottes allein oder als Abschluß einer Säule sind häufiger. Die meisten stammen aus
Reims: Courcelle-Seneuil a. a. O. S. 52/53 und Taf. 8 zu S. 102 = Espérandieu II 1316,
S. 256/57, dazu IV S. 302, Nr. 3287 (Langres).