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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 29.1911

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Nr. 3
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Brehm, Karl: Zur Schriftstellerei des Propstes Melchior Zanger von St. Moritz in Ehingen a. N. 1603
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https://doi.org/10.11588/diglit.32978#0064

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38 —

zustellen. Jedenfalls geht der Tübinger
Professor auch zu weit, wenn er wegen
des allgemeinen Ausdrucks „ut no8 llatino
convertimrw" bei einem gar kleinen und
einfachen Zitat Zanger des Plagiats be-
schuldigt.^) Er hält Zanger auch vor,
daß dieser selbst in unredlicher Absicht zu
den Schuldisputationen nach Tübingen
komme und Spione dorthin schicke, nahm
aber selbst Mitteilungen über eine Predigt
desselben vom 10. März 1583 an und
beschuldigt ihn deshalb in einer Schrift
jenes Jahres gegen einen Wiener Jesuiten,
daß er die Kommunion unter beiden Ge-
stalten eine eigenhändige Erfindung des
Teusels genannt habe. Er weiß auch zu
berichten, daß ihn Zanger darauf hin am
30. Juni auf der Kanzel mit Namens-
nennung einen Verleumder genannt habe
und in der Erregung ohne den üblichen
Gruß und Segen davon gegangen sei")
Zanger hat sich später mit Humor über
den Zusammenstoß mit Heerbrand aus-
gesprochen und den Verkehr mit Tübingern
nicht gescheut.")
IV. vis Oonoionss llnüeoim (1581).
Die Polemik Heerbrands scheint Zanger
zunächst nicht sonderlich erregt zu haben.
Statt des verheißenen ZuRum opu8" er-
schienen 1581 seine elf Passionspredigten,
die er in der Fastenzeit dieses Jahres auf
der Kanzel von St. Moriz ,,acl noRram
plebem catüolicam" gehalten und am 25.
März dem Augsburger Dompropst Wolfg.
Andreas von Goß und dem dortigen
Domscholastikus Joh. Ulrich Halbmaier,
die ihn mit seinen Reisegenossen nach An-
dechs begleiten sollten, in seiner Armut
als Reisegeschenk gewidmet hatte.") Aus
der Tatsache, daß zu Beginn der VII, VIII
und XI Predigt gesagt wird, die VI und
VII, bezw. IX und X Predigt sei gehalten
worden „IwRerna ciio", ,,üeri" bezw.
") Disput. ci<t simpiici et kc>I. III ssecp u.
Loli. cstk. p. 176 ssecp
") Disput, cis gpost. esc!, toi. 63 u. D Es
dürfte sich handeln um Jak. Heerbrand, Ab-
leinung der neuen Zeitung aus Konstantinopel,
so dies Jahr 1583 von einem Jesuiter wider
die augsburgische Lonkession ausgesprengt wor-
den ist. Tbgen 1583. Sie war mir nicht zugäng-
lich.
") Dx. vers. S. 73. vergl. auch Anin. 40.
") Loire. XI toi. 2 sseq.

,,lloclierna liora 8exta et octavä',") darf
man den Schluß ziehen, Zanger habe je
einmal gepredigt an den 6 Fastensonn-
tagen und am Montag und Dienstag der
Karwoche und endlich dreimal am Kar-
freitag und zwar morgens um 6 und
um 8 Uhr und das letztemal vielleicht
nachmittags. Sonntags dürften sie kaum
die übliche Pfarrpredigt ersetzt haben. So
entsprach der Pfarrpropst von Ehingen
in etwas modifizerter Weise der Vorschrift
der Konstanzer Synode von 1567, die für
Konstanz und andere größere Orte außer
der Sonn- und Feiertagspredigt noch zwei
weitere Wochenpredigten während der
Advents-nnd Fastenzeit anordnete.") Der
baldige Druck der Predigten läßt vermuten,
daß Zanger von Anfang an die Absicht
hatte, Musterpredigten zu halten und zu
veröffentlichen. Außerdem fagt er in der
Einleitung der ersten Predigt, er habe
die Wahrnehmung gemacht, daß fast alle
Passionsprediger mit ihren geschichtlich
treuen Vorträgen nur auf das Gemüt
zu wirken und zu Thränen zu rühren
suchen und zu wenig auf die praktische
Bedeutung der Leidensgeschichte des Herrn
achten. Die auf solche Weise vermittelten
Kenntnisse ,werte ita non erunt perkec-
tae Lkri8tianae vitae 8emmaria, 8eü viti-
orum omnium irritamenta, receptacula
et nlimenta". Deshalb wolle er neben
der wahrheitsgetreuen Erzählung der Lei-
densgeschichte deren,,utilitale8" d.h. prak-
tische Bedeutung und Anwendung leben-
dig vor Augen stellen. Er suche mit dieser
Art Passionspredigten nicht eitlen Ruhm,
den sie habe bereits in verschiedenen Jahr-
hunderten treffliche Vertreter gefunden, die
er nun nachahme, was leider die meisten
Prediger aus Unfähigkeit oder Nachlässig-
keit nicht getan hätten.") Speziell nennt
er als sein Vorbild den „anAelicum llüo-
mam ^.guinatum", den freilich „impium
Lclimicielmi 08" d. h. Propst Andreä
von Tübingen „Wasferschnallen" genannt
habe.") Man könnte demnach in Zan-

«st D c. p. 152, 176 u. 269.
Freib. Diöz. Arch. XXI (1890), S. 140.
Dieser iitulus VI cis cioctrina et prasclicstione
verbi ciivini war überhaupt die Direktive für den
Prediaer Zanqer.
-«) Lonc. XI, p. 1—3.
") b. c. kol. 3 u. p. 8.
 
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