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Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 29.1911

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Nr. 11
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Beck, Paul A.: Gelehrte Wollust, [2]
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.32978#0202

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176

aiikam, rief der Küster: Herr, ihr sehet nicht zu,
Oremus! Nein, nein, Johannes, versetzte der
Prediger, es ist meine Fran. Ja, wieder ant-
wortet der Küster, auch Oremus! Denn ich
habe sie vor acht Tagen bey des Schnitzens Sohn
hinter einem Haselbusch allein angetrosfen. —
Da die ra. Z90 Nummern des „Polyhistor-"
fast sämtliche ans älteren Schwankbüchern zu-
sammengerafft sind, besonders ans dem anony-
men „Lyrum larum lyrissimum" (0. M. ;7o;), so
ist wohl zweifellos, daß der angebliche „Sempi-
ternus" nicht den ersten Druck der Anekdote bietet.
Anderseits ist auch möglich, das; das Histörchen
erst später zur Erklärung der Redensart erfunden
wurde, wie ja überhaupt derartige Erfindungen
nachträglich dunkel gewordene Bezüge anfhellen
sollten, vielleicht gibt ein kundiger Folklorist
darüber Auskunft.
Unserm Stück am nächsten steht ein zur Leip-
ziger Gstermesse gedichtetes unsauberes Stück
Lessings „Der Eremit", zu dem inan die wich-
tigsten Parallelen bei Albrecht, Lessings plaziate
S. HSO ff. findet. (Ich trage hierzu nach: Hxilium
tnelanckolüie zsqz, n. 3y, S. -42).
Josef Karlmann Brechenmacher.
— e— Dazu: In Schwaben eursirte im vorigen
Jahrhundert folgende Anekdote:
Ein seit nicht langer Zeit in einem Grte be-
findlicher Pfarrer hatte ans allerhand Klagen,
das; er nicht wenig unsolide Weibsbilder in seinem
Kirckspiele habe, solche kennen lernen wollen und
zu diesem Zwecke mit dem Mesner ausgemacht,
daß letzterer während des nächsten Gpferganges
in der Kirche bei jeder derartigen vorüberwandeln-
den Weibsperson „Oremus" sagen solle. Dies
geschah nun nicht selten; als aber auch die dein
Mesner wohlbekannte pfarrhanserin an die
Reihe kam, trat dem Mesner angesichts des schweren
Dilemmas der Schweiß ans die Stirn; der Mesner
war indeß ein Mann, der stets der Wahrheit,
wenn auch oft mit schwerem Herzen, die Ehre
gab; so hieß es auch bei der Pfarrersköchin, so sehr
auch Sr. Hochwürden darob die Vhren gellten:
„Und — alleweil Oremus!"

ydsrsvarttluz rmü fieskommannus.
Behufs Geißelung des iu der früheren
Rechtsprechung vielfach Platz greifenden
Brauches uud Herkommens, des sog.
Gewohnheitsrechtes, dieses gesetzgeberischen
Lückenbüßers, erschien i. I. 1799 0. O.
ein interessantes Schriftchen dls Titels:
„Leben und Thaten des berüchtigten und
landverderblichen d. Herkommens, auch
,,Ot>8ervantiu8" gen.", 8°. Ein Gegen-
stück zu diesem ,,Ok8ervantiu8" bildet der
,,lüerkommanuu8", d. i. das sogen.
Herkommen, d. h. der von Urväter-
zeiten lediglich durch das Alter geheiligte,
im Recht herkömmliche Schlendrian,
eine im 18. Jahrhundert erschienene

Schrift, vor welcher Dieser tckerkonunav-
nu8 als Titelbild prangt und woselbst
in fein ironisch fein sollendem, tatsächlich
aber schwerfällig plump geratenen Scherze
die Schwächen und Mißbräuche der da-
maligen Rechtsprechung und Rechtspflege
vorgeführt werden. Wahrscheinlich ist der
Vf. dieser originellen Schrift der Graf
Franz Anton Sporck (1662—1738), der
Gründer von Bad Kukus in Böhmen,
welcher die Willkür und Schärfe des da-
maligen Schlendrians schwer genug am
eigenen Leibe hatte büßen müssen und
welcher dem berüchtigten „tterüomman-
nu8" in Kukus ein satirisches Riesen-
standbild setzen ließ. — Der dritte im
Bunde ist der modernere St.Bureaukratius.
Lurio5um.
In einem Verzeichnis „der verschiedenen in
Deutschland wohnenden großen und kleinen Na-
tionen" wird auch „die alt- und neuwürt-
teni bergische Nation" (!) aufgeführt. Das
Verzeichnis ist im 2. Jahrzehnt des 19. Jahr-
hunderts „in Eile entworfen vom Minister
O-Weh, zum Unterricht für den Erbprinzen auf
O-Waihq." (Aus „Welt und Zeit", III, S. 80,
Germanien, 1818.)

Steine stlitteilungeii.
-e- Vie Lborrtüble im Hottenburger vom.
Dieselben befanden sich ehedem im Rittersaal
des Ludwigsburger Schlosses und trugen
Aufsätze rückwärts, welche die Wappen der
Ritter des großen württembcrgischen
Ordens nebst Aufschriften der unter König
Friedrich ernannten Ritter enthielten. Bei
Gelegenheit der Auswahl von Bildern aus der
Galerie zu Ludwigsburg für die Dvmkirche von
Rottenburg a. N. im Jahre 1827 sah der bekannte
Domdekan Jaumann auch diese seit dem
Ableben des Königs Friedrich in Vergessenheit
geratenen bezw. entbehrlich gewordenen Stühle
und benutzte diesen Anlaß, sie zu Chor-
stüh len im hohen Doin zu Rotten bürga. N.
zu erbitten und so geschah es, daß die Sitze
Napoleons, der Könige Joachim Murat,
Max Joseph von Baiern, des Marschalls
Berthier rc., wie sie rückwärts mit Goldbuch-
staben bezeichnet waren, in den Chor der Rotten-
burger Domkirche übertragen und dort als Sitz-
plätze für die Mitglieder des Domkapitels auf-
gestellt wurden — auch eine Erinnerung an das
Empire, aber — welch seltsames Spiel des Zu-
falls ! Bei der dann i, I. 1867 vorgenommenen
durchgreifenden Restauration des Rottenburger
Domes verschwanden auch diese sellas curules
aus demselben, ohne daß wir sagen könnten,
wohin dieselben gekommen sind.
 
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