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Beck, Paul A. [Editor]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 29.1911

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Nr. 10
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Beck, Paul A.: Das deutsche Brevier
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Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.32978#0184

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158

aller Ueberraschung und vielfachem großen
Bedauern wurden dann die Dillinger
Professoren Sailer als des Jlluminatis-
mus verdächtig und Zimmer gestürzt.
Die strenge Richtung (Nigg, Rößle, Kögel,
Lumper, Wanner, Schneller rc., fast lau-
ter ciü ininorum gentium!) verfolgten
Sailer bis nach München, und Hinter-
trieben es durch den Nuntius Zoglio,
daß S. die Stelle eines Hofpredigers,
wozu er vorgeschlagen war, erhielt. Das
deutsche Brevier endlich, das Stein-'
chen, das den schon länger im Geheimen
währenden Zwiespalt der beiden Rich-
tungen ins Rollen brachte, ward ver-
boten, die erteilte Censur in aller Form
widerrufen und die schärfsten kanonischen
Strafen für den weiteren Gebrauchsfall
ausgesprochen. Heutzutage zählt es zu
den Curiositäten und sind Exemplare
desselben ziemlich selten geworden, da
es in der l. Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts fast überall ausgemerzt wurde.
Schließlich wurde gar auch noch der
Herr Statthalter selbst gestürzt; mit
schwerem Herzen legte er das General-
vicariat aus „bewegenden Ursachen"
nieder, um einen Nigg als Nach-
folger zu bekommen. Anfangs drohte
zwar Ungelter mit der Niederlegung
seiner sämtlichen Stellen, wofern man
ihm das Generalvicariat nehmen würde;
als er aber sah, daß die nun so auf ein-
mal erstarkte herrschende Faction sich beim
Churfürsten schon so festgesetzt habe, daß
ihm dieser eher alle Stellen abnehmen,
als ihm jene lassen würde, so wollte
er lieber die übrigen behalten, als mit
der einen alle entbehren. So mußte er
seine schwankende Haltung, seine inkon-
sequente Politik, sein mit Niemand es
verderben und mit Allen stehen Wollen,
kurz sein praktisches Christentum büßen.
An gutem Willen fehlte es ihm ja nie,
auch wollte er stets das Gute; aber —
sein Herz war eben weit stärker als sein
— Kopf! Unter Niggs und Cons. Re-
gierung wurden nun alle von Ungelter
getroffenen Verfügungen so viel als mög-
lich vernichtet; er hatte z. B. einem Pfarrer
in Baiern,die Erlaubnis erteilt, deutsche
Vespern zu erhalten, welche nun feierlich
widerrufen wurde. Es wurde ihm auch
bei diesem Anlaß nachgetragen, daß er

die bekannte „Toleranzpredigt" des be-
rüchtigten Eulogius Schneider am
25. Nov 1785 in Augsburg nicht bean-
standet habe und nicht gegen diesen Mönch
vorgegangen sei.
kleine jVlitteilungen.
—e Anfang deK LhristcnlumK in Ulm.
Ulm, die alte Stadt, hatte durch Krieg,
Aufruhr und Brand, viele Zerstörungen auszu-
stehen gehabt. I. I. 113t eroberte und ver-
heerte sie durch Brand Herzog Heinrich der Stolze
von Bagern; die Stadt wurde in einen Aschen-
hausen verwandelt und alle alten Denkmäler zer-
stört. Da auch das Archiv verloren gieng, so
ist gar Alles für die ganze frühe Geschichte Ulms
dahin, außer dem Wenigen, das Geschichtschreiber
anderer Gegenden von Ulm melden. Auch ist
nicht zu vergessen, daß durch Krieg und Brand,
Rohheit der Krieger selbst in neueren Zeiten
manche Denkmäler usw. zerstört wurden, daß die
Unwissenheit öfters alte Handschriften vernichtete,
und daß bis zur Hälfte des vorigen Jahrhunderts
mit wenigen Ausnahmen diejenigen sich keiner Un-
terstützung bzw. Aufmunterung zu erfreuen hatten,
ja nicht selten gar noch benachteiligt wurden, welche
ihre Erholungsstunden zu der Geschichte des Vater-
landes benutzt haben. Bis jetzt fand man nirgends
eine Spur eines heidnischen Tempels in der
Stadt; was Thomas Lyre r aus Rankweil, der sich
selbst in Kirchberg bei Ulm aufhielt, in seiner Chro-
nik (von Wegelin mit Anmerkungen 1761 wieder
neu herausgegeben), die er im Jahre 1433 schrieb
und im Jahre 1486 erstmals in Ulm gedruckt
wurde (s. Zapfs Buchdruckergesch. von Schwaben,
S.92) von den „alten Röhren unler der Metzig"
— eine gute Wasserquelle — angibt, die 959 I.
vor Christi Geburt, ein berühmter Brunnen ge-
wesen, „wo die Amazonen ihren geheiligten
Ulmenbaum oder Ulmenhain gehabt haben", ist
ohne Beleg gesagt. Hingegen soll auf dem Berg
Aichlingen, wo das Kloster Elchingen sich
erhob, 2 Stunden nördlich von Ulm, ein Tempel
Jupiters gestanden sein. An einem Pfeiler der
Kirchenmauer zu Kuchen, OA. Geislingen, be-
finden sich 3 steinerne Bilder, von denen man
angibt, sie seien Ueberbleibsel eines heidnischen
Tempels u.s.w.
Um auf die Frage, ob es Juden in Ulm gab,
überzugchen, so ist es gewiß, daß Juden, welche vor
Zeiten auch in Nellingen auf der Alb,Langenau
und Laupheim seßhaft waren, neben den Chri-
sten in Ulm, in mehreren Straßen zerstreut, ge-
wohnt haben. Das Karpfengäßchen hieß ehedem
In dengässe; i. I. 1237 hieß das Wirtshaus,
die Rostig auf dem Greiß, beim Judenloch;
SUßloch ein, wieder Süßloch hieß die Kram-
gasse; auch fand man mehrere jüdische Grabsteine
( . Veesenmeyer, Etwas von dem ehemaligen
Aufenthalte der Juden in Ulm 1797). Auf dein
Judenhofe hatten sie die Synagoge, welche ini
Jahre 1873 auf dem Weinhof wieder neu erstand,
und Schulhof mit einem Rabbiner, Bad- und
Schlachthaus, und ihre Begräbnisstätte. Leichen-
haus war bei der Marnerwalk, an der Stelle,
 
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