Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul A. [Hrsg.]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 29.1911

DOI Heft:
Nr. 10
DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Das deutsche Brevier
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.32978#0183

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
157

Kirche vorzubereiten. Sailer schnitt
dann manche Stelle weg und mußte sie
wegschneiden, wenn er sich nicht selbst den
Verdacht, verderbliche Sätze der Neuerer
begünstigt zu haben, auf den Hals laden
wollte. So castrirt und verbessert ward
das Manuscript Steiner wieder überliefert,
welcher indes auch jetzt noch einiges Be-
denken fand. Allein Ungelter drohte nun,
die Approbation selbst in seiner Eigen-
schaft als Generalvicar allein von sich aus
auszufertigen. Steiner hätte dessen Un-
gnade zu befürchten gehabt, mochte sich
nicht gern großem Verdrusse und dessen
Folgen aussetzen und unterschrieb schließ-
lich halb willig halb unwillig die Appro-
bation, welche Bronner ihm auf Befehl
des Dompropstes vorlegte. Das Brevier
ward dann unter Bronners Correctur
in Augsburg gedruckt und ist so in der
Hauptsache ein schwäbisches Produkt; man
sammelte in allen Klöstern und Land-
dekanaten, bei Pfarrern und Caplänen,
nicht ohne Zudringlichkeit Subscribenten,
pries es nicht ohne Grund als ein auch
für Prediger brauchbares Erbauungsbuch
an, sandte die einzelnen Teile aus dem
geistlichen Expeditionsamte mit andern
bischöflichen Circularschreiben an die Land-
dekane zur Verteilung unter ihre Ange-
hörigen und trieb durch den bischöflichen
Expeditor Pulver die Gelder ein.
Sailer übernahm es, 200 Exemplare
davon allein zu verkaufen, allein er konnte
nur ungefähr 50 Stück an den Mann
bringen, weil die Leute, auf die er weiter
gerechnet hatte, schon direkt von Augs-
burg angeworben waren. So ward das
famose „deutsche Brevier für Stiftsdamen
und Klosterfrauen und jeden guten Chris-
ten" (4 Bände in gr. 8°. Augsburg bei
Wolf, 1792; die 2. Auslage ebendas. 1794.
Eine 3. Auflage erschien auch unter dem
Titel: „Biblisches Erbauungsbuch für
katholische Christen auf alle Tage des
Kirchenjahrs. Heilbronn bei Klaß, 1803;
eine 4. zu Wien bei Bauer, 1807; eine
5. zu Grätz bei Dusch, 1808; eine 6.
durchaus verbesserte und vermehrte Auf-
lage zu Rothenburg a. T., 1809 bei
Klaß, wobei es sich in der Hauptsache
wohl um sog „Titelauflagen" handeln
dürfte. Ein Auszug unter dem Titel:
„Kathol. Gebetbuch" soll unter dem er-

dichteten Druckort: Hildesheim 1809, er-
schienen, in Wahrheit aber ein Augs-
burgischer Nachdruck sein) schnell ver-
breitet, und sowohl in den adeligen
Damenstiften zu Augsburg, Buchau a. F.
und Edelstetten, als auch in verschiedenen
Nonnenklöstern und auch in Augsburg
eingeführt, so sehr sich auch die strenge
Richtung dagegen sträubte. Letztere hatte
nun den immerhin etwas unvorsichtig
vorgehenden Weihbischof in der Schlinge;
sie konnte ihn wegen der Art, wie er sich,
um die Approbation des anstößigen Wer-
kes zu erzwingen, benommen hatte, ge-
rade wie einen Schriftsteller behandeln,
der ein verdächtiges Buch geschrieben hat.
Nun war es ihr ein Leichtes, den guten
Herrn v. Ungelter mit Erfolg seiner Ortho-
doxie verdächtig zu machen. Letzterer hatte
sich durch sein Vorgehen in der Brevier-
angelegenheit um die Zuneigung und An-
hänglichkeit Steiners und der älteren
geistlichen Räte, sowie der orthodoxen
Kreise in Augsburg gebracht. Als ein
echter Hofmann wäre er zwar immer
gern mit beiden Parteien in gutem Ein-
vernehmen gestanden und schwankte er
deshalb meist hin und her, was man für
Wankelmut und Mangel an Festigkeit
des Charakters erklärte. Abgesehen von
dem einzelnen Vorgang in der Brevier-
angelegenheit — machte sich auf einmal
die schon einige Zeit unbemerkt heran-
ziehende Reaktion geltend. Zuerst wurde
gegen den liberalen v. Haiden vorgegan-
gen; der geistliche Rat Nigg redete dem
Churfürsten vor, Harden habe Se. Durch-
laucht verleitet, sein unkanonisches Mach-
werk zu approbieren und auch sonst wurde
alles Mögliche gegen Haiden vorgebracht
und Ungelter half in seiner Unkenntnis
der tieferen Sachlage selbst noch mit, ohne
noch eine Ahnung davon zu haben, daß
die Reihe bald auch an ihn selbst kommen
würde, so daß Haiden das Provicariat
resignieren mußte, vom geistlichen Rate
ausgeschlossen und auf das Consistorium
eingeschränkt wurde, „weil hier so viele
Prozesse lägen, wozu er eine besondere
Geschicklichkeit hätte". Haiden führte fort-
an das Dasein einer Art von Vice-Offizial,
erhielt er doch selbst bald darauf air dem
zum eigentlichen Offizial ernannten Dom-
herrn v. Palmer einen Vorgesetzten. Zu
 
Annotationen