Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul A. [Editor]
Schwäbisches Archiv: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Literatur, Kunst und Kultur Schwabens — 29.1911

DOI issue:
Nr. 4
DOI article:
Brehm, Karl: Zur Schriftstellerei des Propstes Melchior Zanger von St. Moritz in Ehingen a. N. 1603, [2]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.32978#0084

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
— 58 —

der Zeit immerfort „Bapst, Bischoff und
den gantzen geistlichen Stand mit un-
christlichen schmähungen antasten, sin-
ter den alt- und neugläubigen Geistlichen
findet er viele Geizige, „damit nicht eytel
Leyen in der Hölle seyen."^) Von Un-
zucht unter dem katholischen Klerus redet
Zanger nicht, obwohl ihm solche Fälle
aus fciuer nächsten Umgebung bekannt
sein mußten, wohl aber tut es Beriuger
in einer Weise, die man für unberechtigt
erklären mnß, wenn man auch nur die
bezüglichen Bestimmungen der beiden
Konstanzer Synoden von 1567 u. 1609
kennt und selbst wenn einem die von
Bossert veröffentlichten Visitations-Pro-
tokolle der Diözese Konstanz von 1574/81
bekannt sind. Denn er behauptet, daß
bis „aufs den heutigen Tag die Papisten
dnrch die Finger sehen, daß jhre Meß-
priester in öffentlicher Unzucht leben.
Als Beispiel originaler Zanger'scher
Polemik mögen seine Auslassungen über
den Vandalismus der Evangelischen jener
Tage dienen. Da schreibt er: „Es mögen
doch die Bildstürmer der alten Heidnischen
Abgötter 8imulacdra und Götzenwerck
als des üupiters, Veneri5, iVlinervae,
üsicllü, lZaccbi, llutüeri ^cvin^li llalvini,
Oecolampaclü, Uut^eri liesse, lilelan-
tkoms, und anderer dergleichen verrusst
und vorlangst anatlwmati^iert und ver-
fluchten Ertzkeher in jhren Kirchen, Sälen,
Zimmern, Stuben, Kammern, an den
wenden, in und außer dem Hauß kleben
und angenagelt gedulden und leiden,
denen sie anib Ehr und Zucht beweisen
und sie menniglich vor äugen sehen muß.
Was ist dann das für ein wahnsinnige,
Teuffelische opim'on unnd angenommene
Hardneckicsteit, daß sie Gottes, Mariä,
deß hl. Creutzes^) und anderer lieben
—A."a O. S. 405.
Sy A. a. O. S. 612.
Sy Rettung, S. 178. Vergl auch Jos. Schmid-
Im, Die kirchl. Zustände. III (19101, 7II. auf
Grund der Konstanzer ksl. stut. v. 1595 u. 1610.
ss) Vergl. hiezu Hx. vers. S 612 zu Phil. 3,18:
„Merck spricht hie Herr O. I)iet6nbsrLiu8 das
diese wort (die feynd deß Creutzes Christi) auch
die Keder treffen, welche dem Creutz Christi so
feindt, das sie alle Crucifix auß der Kirchen, und
auff dem Feld abthun, darzu die Jeyer des hei-
ligen Creutzesfests abgeworffen haben. In wel-
chem sie des Teuffels Schweger sind, der das
Zeichen deß heiligen Creutzes auch nicht leyden
kann."

Heiligen Bildtnussen unnd Gemahl nicht
leiden wöllen, ja mit mächtigem dollen
muht und Unsinnigkeit außtreiben, be-
rauben, außziehen uud gäntzlich beschaben
der lieben Heiligen insisnia, herrliche ge-
waltige, köstliche, Fürstliche, Grabstätte,
dargegen Helm und Wappen an jhre
Statt sehen, die zuvor zu Gottes uund
seiner Außerwehlten Ehr, der Armen
underhalt, fromme, Gottselige, mitleidige,
heilige Leuth gesteuert unnd zugebradht
haben? Sie aber diese newe Heiligen
habens alles hinweggenvmmen und weist
schier niemandts, wohin es kommen:
Deubet und wuchert ju wenig, frist das
Geistlich daß Weltlich darmit."8st Zanger
will indes diese Anklage nur gegen die
wirklich Schuldigen erhoben haben. Da-
aegen schreibt er ohne Einschränkung über
die mit der Reformation gewöhnlich ver-
bundene Säkularisation non Kirchengut,
die er besonders den Prädikanten zur Last
leat: „Nemmeu Klöster, Apteyeu unnd
Clausen ein, blündern die Kirchen, machen
Rost l!) Stall, Hund unnd Jagheuser
darauß, bringens in jhren Nutzen, in
jhren Weltlichen, schändtlichen, muthwil-
ligen Gebrauch, geben jhme ein andern
Nahmen, heissens Schulen, Kasten der
Armen: Ja wol Schulen, ja wol^er Ar-
men, freylich haben sie sick> höchlich zu
beklagen, als Gott man spricht. Sonsten
köndt mau keine Zeminaria und Schulen
haben. Wo unnd von wem haben die
dann geleruet, die vor uns waren? etc."85)
Solche und andere schlimme Tatsachen
seien keine Wirkungen der Paulina kiclos,
guae per clüectionem operatur. sondern
der kicle8 Luthers und des Apostaten
Pietro Paolo VerZerio.^) Das berüch-
tigte „alleine", das Luther Röm. 3,28
beifügte, ist Zanger das „Schwefelhöltz-
lein", das die ganze Welt in Brand
steckte.^) Hat der Papst in Deutschland
durch Luthers That auch schwere Einbuße
erlitten, er ist deßwegen noch nicht ver-
nichtet: „Thu gemach, gemach, er liegt
Sy Lx. vei-8. S. 271.
Sb) A. a. O. S. 484 k.
SS) A. a. O. S. 366. Die Erwähnung des
Vergerius scheint darauf hinzudeuten, daß Zanger
mit den angeführten Ausführungen auch auf
württemb. Zustände abzielte.
sy A. a. O. S. 525: Rettung, Vorr. S. 30
und 201 kk.
 
Annotationen