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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 13.1922

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Sechstes Heft
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Schwitters, Kurt: Tran 25
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https://doi.org/10.11588/diglit.47210#0118

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Und dann schreiben Sie bitte nicht wieder, dass Klee, Archipenko, Chagall, Schwitters,
Campendonk u. a. m. auf die Zeitgenossen, die nicht alle werden, geschäftstüchtig spe-
kulierten. Machen Sie nur gut den Mund immer auf und zu. Das steht Ihnen so gut zu
Gesicht. Ich sehe übrigens, dass Sie einige Künstler mit „fingerspitzenfeinem Takt“ her-
ausnehmen aus der Reihe der Geschäftsspekulanten, wie Klee, es sind dieses Künstler,
die, „mit fingerspitzenfeinem Takt“ herausgeholt haben, was dieser Kunst wenigstens ein
wenig Beachtung sichert, die nicht so „disziplinlos ahfgeblasen“ sind, wie ich z. B.
Besonders erwähnen Sie Kandinsky, von dem nämlich nichts in Göttingen ausgestellt war,
und Katharina Schäffner, die nie zum Sturm gehört hat, weil Sie unkünstlerische Karrika-
turen macht. Diese Kath. Schäffner wird mir gerade mit fingerspitzenfeiner Sicherheit als
Musterbeispiel gegenübergestellt, lange bevor ich mich „spreizte“. Sie schuf Kunst, lange
bevor ich mich mit „meinen Konsorten spreizte“. Machen Sie lieber zur Übung mal den
Mund auf.
Mund zu!
Mund auf!
Mund zu!
An die Kaserne, marschmarsch!
Hinlegen, marschmarsch!
Über und unter Wasser, marschmarsch!
Weckgetreten!
Was? Hierbleiben, marschmarsch! Ich werde Euch fingerspitzen-
feinen Takt beibiegen! Wie die nicht abfliessende Fingerspitze marschmarsch erkrankt dem
mundaufreissenden Kritiker die weckgetretene Kaserne.
Ja, Vater, und ich helfe*
Preise: Normal
Knie entreisse der Rose. —
Ürigens glauben Sie nicht, Herr Lange, durch Ihre Verleumdungen der Kunst schaden zu
können. Sie können es eben so wenig, wie der Torfmann, der Torf Torf ruft, oder Herr
Westheim, der bekannte Herausgeber des verstorbenen Kunstblattes. Nehmen Sie sich
auch nicht zu tragisch, dass ich Ihnen überhaupt antworte, ich habe, auch Herrn Westheim
geantwortet, der sich auch nicht tragisch nimmt. Herr Westheim kann nämlich auch die
Entwicklung der Kunst nicht mehr aufhalten, ebenso wie der Torfmann, wenn er auch
noch so laut Torf, Torf ruft. Sonst sind gewisse Ähnlichkeiten zwischen Herrn Westheim
und dem Torfmann. Der Torfmann handelt auch mit einer Ware, die ihn nicht wärmt.
Ihnen, Herr Lange, habe ich geantwortet, weil Sie so entsetzlich albern, so unsagbar
komisch geschrieben hatten, dass ich glaubte, einem Menschen helfen zu müssen. Ihr Fall
ist nämlich typisch, wie Westheims Fall. Ihr Fall ist mir sonst gleichgültig, Sie fallen,
wie Westheim, ganz allein. Wie ein wurzelkranker Baum.
0, Schatz, wenn du das tätest, mir einen Pralinee an die Hose nähtest! Ihr Fall ist
weiter nichts, als typisch, Herr Lange, Tausende von Kritikern „spreizen sich“, wie Sie
und „sabbeln“ wie Sie. Ich bitte diese tausend Kritikusse, ihr sämischgares Rindleder
hiermit als gegerbt zu betrachten. Aber an sich wäre es auch unnötig, diesen 1000 das Leder
zu gerben, es ist sowieso sämischgar. Und die 1000 Sabbelspreizer können die Entwick-
lung doch nicht mehr aufhalten, ebensowenig wie Herr Westheim. 1000 mal 1000 Künstler
schaffen die neue Zeit. Das sind so ein paar Tatsachen, die man sich als unaufmerksamer
Sabbelspreizer merken sollte. Gerade die verkalkten Jünglinge, z. B. Klee, Bauer, Busch,
Göhring, Molzahn, Puni, Wauer und die verkalkte Jungfrau Nell Walden, schaffen die
neue Zeit; nicht aber Ihr Herr Nauen oder der nicht verkalkte Jüngling Rohlfs. Diese
Herren versperren nur den Kaikern den Weg.

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